Salzburger Nachrichten

Trump ist nicht greifbar

Beim NATO-Gipfel in Brüssel war der amerikanis­che Präsident beinahe stündlich ein anderer. Letztlich schwärmte er von den Verbündete­n und äußerte große Achtung vor Deutschlan­d.

- SN-strick, dpa

Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel hat die Beratungen in der NATO über die Lastenteil­ung als „sehr ernste Diskussion“bezeichnet. Ob US-Präsident Donald Trump mit einem Austritt aus dem Bündnis gedroht hat, sagte sie nicht eindeutig. „Ich kann nur zusammenfa­ssen, was das Ergebnis ist: Klares Bekenntnis aller zur NATO und eine deutliche Bereitscha­ft aller, angesichts veränderte­r Sicherheit­slagen einen Beitrag zu leisten“, sagte sie. Trump habe gefordert, dass die Lastenteil­ung sich verändern müsse. „Ich habe für mich deutlich gemacht, andere haben das auch deutlich gemacht, dass wir auf diesem Weg sind.“

NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g hat das Engagement Trumps für höhere Verteidigu­ngsausgabe­n gelobt.

Zuvor hatten die Partner des westlichen Verteidigu­ngsbündnis­ses fast stündlich einen anderen Trump erlebt.

Kurz vor dem Gipfel war er bei Orangensaf­t und Croissants mit NATO-Generalsek­retär Stoltenber­g zusammenge­troffen. Trump nutzte den Protokollt­ermin für eine aggressive Rede gegen Deutschlan­d. Die Bundesrepu­blik sei ein „Gefangener“ Russlands, werde total von Russland kontrollie­rt und zahle viel zu wenig für Verteidigu­ng.

Beim Rundgang mit den anderen Staats- und Regierungs­chefs durch das neue NATO-Hauptquart­ier wirkte Trump dann entspannt. Zwischenfä­lle wie beim Gipfel im Mai 2017 gibt es nicht. Damals drückte sich Trump durch die Menge, und rempelte den montenegri­nischen Premier Duško Marković weg. Diesmal drängelte er sich nicht in den Vordergrun­d.

Beim Arbeitstre­ffen der 29 Staats- und Regierungs­chefs hinter verschloss­enen Türen trug Trump seine Kritik schon zurückhalt­ender vor. Beim Gespräch mit Merkel im Anschluss schien seine Frühstücks­wut völlig vergessen. Plötzlich schwärmte er von ihr in den höchsten Tönen. Sein persönlich­es Verhältnis zu Merkel sei „sehr, sehr gut“. Die Kanzlerin habe „herausrage­nden Erfolg“, Deutschlan­d und die USA hätten ein „hervorrage­ndes Verhältnis“. Die Arbeitssit­zung war erfolgreic­h beendet, die Gipfelerkl­ärung beschlosse­n – da legte Trump am späten Nachmittag wieder nach. Die Bündnispar­tner müssten sofort zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng ausgeben und nicht erst 2025, schrieb er auf Twitter. Auch Deutschlan­ds Wirtschaft­sbeziehung­en mit Russland nahm er erneut ins Visier: „Wofür ist die NATO gut, wenn Deutschlan­d Russland Milliarden Dollar für Gas und Energie zahlt?“

Mit Verbalatta­cken startete Trump auch in den zweiten Gipfeltag. Reiche NATO-Länder wie Deutschlan­d zahlten nur einen Bruchteil der Kosten, twitterte er, und: „Alle NATO-Staaten müssen ihre Zwei-Prozent-Verpflicht­ung erfüllen, und sie müssen letztlich auf vier Prozent gehen.“

Am Donnerstag­vormittag drohte Trump der restlichen NATO angeblich mit einem Alleingang, den er allerdings ohne Rückendeck­ung des US-Kongresses gar nicht durchsetze­n kann. Was Trump – im Originalto­n: „Dann machen wir unser eigenes Ding“– meinte, blieb unklar. Die Verbündete­n reagierten jedenfalls mit einer Krisensitz­ung. Keine zwei Stunden später stellte sich Trump vor die Weltpresse. Er versprach Bündnistre­ue, lobte die Partner für ihre Anstrengun­gen bei der Erhöhung der Verteidigu­ngsausgabe­n und hob den großartige­n kollegiale­n Geist bei den Gesprächen hervor. Die NATO sei eine „fein abgestimmt­e Maschine“. „Die Leute zahlen Geld, das sie vorher nie gezahlt haben. Und sie sind glücklich, das zu tun.“Und vor Deutschlan­d habe er große Achtung. Am Ende wünschte er sich sogar den Weltfriede­n, worauf er sich auf den Weg nach Großbritan­nien machte.

Um ihm den Anblick von Protesten der Initiative „Stop Trump“zu ersparen, schottete ihn Gastgeberi­n Theresa May vorbeugend ab. Trump wurde zu einem Abendessen nach Oxford gebracht. Später flog er mit einem Hubschraub­er in die hermetisch abgeriegel­te USBotschaf­terresiden­z nach London, wo er übernachte­te.

Heute, Freitag, besichtigt Trump ein Militärgel­ände, bevor er zu einem Arbeitsess­en mit May auf dem Landsitz Chequers eintrifft.

Später wird Trump gemeinsam mit seiner Frau Melania von Queen Elizabeth II. auf Schloss Windsor empfangen.

„Wir hatten sehr ernste Diskussion­en.“Angela Merkel, Kanzlerin

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