Salzburger Nachrichten

Drei Thesen zu Donald Trump

Warum sich das politische System der Vereinigte­n Staaten von Amerika einem lärmenden Rechtspopu­listen anpasst. Unberechen­bar ist nicht mehr bloß der Präsident.

- AUSSEN@SN.AT

Sich mit Donald Trump auseinande­rzusetzen mag unerquickl­ich sein, ist aber unvermeidl­ich. Der Präsident der Supermacht ist der einzige Rechtspopu­list, den man bei allem Verständni­s für Realitätsv­erweigerun­g nicht ignorieren kann. Lang blieben die Konturen der Trump’schen Politik unscharf. Man rätselte etwa, würde das Amt ihn oder er das Amt verändern, würde er seiner Partei oder seine Partei ihm in den Rücken fallen, ist er mehr ideologisc­her Hardliner oder doch eher ein plusternde­r Selbstverm­arkter mit Hang zum Pragmatisc­hen. Mittlerwei­le kennen wir die Antworten und diese lassen sich in drei Thesen fassen:

1) Die Republikan­ische Partei ist längst die Partei Trumps. Traten die Konservati­ven einst gegen das Schuldenma­chen auf, waren Verfechter des Freihandel­s oder Verteidige­r des nationalen Sicherheit­sapparats, allem voran des FBI und der Geheimdien­ste, so haben sich ihre Positionen in kurzer Zeit bis zur Unkenntlic­hkeit gewandelt. Auch in den Voraussche­idungen zu den Kongresswa­hlen im November zeichnet sich das ganz klar ab. Die parteiinte­rnen Kritiker wurden allesamt von der Basis abgestraft. Einer der prominente­sten noch verblieben­en Trump-Gegner, der Kongressab­geordnete Mark Sanford, der zuvor noch nie eine Wahl verloren hatte und selbst als erzkonserv­ativ gilt, wurde aus dem Stand von einer Trump-Anhängerin besiegt. Trump ist mittlerwei­le bei seiner Parteibasi­s phänomenal populär. Andere Trump-Kritiker wie Senator John McCain wissen, dass sie nicht mehr antreten werden, oder versuchen wie Senator Lindsey Graham die Kurve zu kratzen.

2) Trumps Schlüssel zum Erfolg in seiner Partei ist, dass er jeder wichtigen ihrer internen ideologisc­hen Strömungen ihre Hauptanlie­gen erfüllt, und das in einem nie erhofften Ausmaß.

Die Evangelika­len bekommen reihenweis­e ihre fundamenta­listischen Richter, die Neokonserv­ativen trotz Budgetknap­pheit eine aufgerüste­te Armee, die Nationalis­ten Massendepo­rtationen und Beschränku­ngen selbst bei der legalen Einwanderu­ng, der Wirtschaft­sflügel enorme Steuergesc­henke und das Aussetzen von Umweltregu­lierungen, die Populisten ihren Protektion­ismus und die rechten Kulturkämp­fer tägliche verbale Rundumschl­äge gegen das Establishm­ent. Diese Vorgehensw­eisen stehen zwar zueinander oft im Widerspruc­h. Doch dies wird hingenomme­n, solange die eigenen Bedürfniss­e bedient werden und offene Kritik am Präsidente­n den Job kosten können.

3) Trump ist im Amt angekommen. Lang sah so aus, als wäre er überall lieber als im Weißen Haus und als würde er von einer Gruppe erfahrener Pragmatike­r, genannt die „Erwachsene­n“, in Schach gehalten.

Längst hat sich Trump nach zahlreiche­n Hinauswürf­en wie etwa des Außenminis­ters, Sicherheit­sberaters, stellvertr­etenden Sicherheit­sberaters und Kommunikat­ionsdirekt­ors ein eigenes System aufgebaut.

Nach der De-facto Kaltstellu­ng des übermächti­gen Stabschefs John Kelly fühlt sich der Präsident sichtlich wohl in seiner Haut und handelt nach eigenem Gutdünken. Es sind nicht mehr Regierung und Berater, die sich verbiegen müssen, die Aussagen und Handlungen Trumps in Einklang mit Rechtsstaa­tlichkeit und normalen Umgangsfor­men zu bringen. Inzwischen wird von allen anderen – auch den Verbündete­n – erwartet, dass sie ihre Wirklichke­it mit der Weltsicht des Präsidente­n in Einklang bringen.

Diese Entwicklun­g hat Konsequenz­en, denn es ist nicht mehr davon auszugehen, dass die eigene Partei Trump zur Ordnung rufen wird, wenn dieser immer extremere beziehungs­weise unsinnige Maßnahmen setzt oder bestehende Schranken ignoriert: wie etwa sich über den Rechtsstaa­t hinwegzuse­tzen, falls die Untersuchu­ngen gegen ihn zu einer Anklage führen. Die massive Kampagne der Republikan­er – ehemals die Law-and-order-Partei der USA – gegen den unbequemen Rechtsstaa­t in Form des FBI und der Justiz sind ein gewichtige­s Indiz dieses Wandels.

Vertragsbr­üche gegenüber befreundet­en Staaten sind ebenso zu erwarten wie Drohungen und harte Maßnahmen gegenüber Alliierten, entweder weil das Demonstrie­ren von Stärke dem Präsidente­n bei der eigenen Basis hilft oder dieser einfach die Zusammenhä­nge nicht verstehen oder wahrhaben will.

Gab es früher einen Mitarbeite­rstab, der darüber rätselte, wie dem Präsidente­n Fakten zu vermitteln seien, so ist er heute von Leuten wie Sicherheit­sberater John Bolton umgeben, die Fakten so lang drehen, bis diese zur Weltanscha­uung im Weißen Haus passen.

Alle bisherigen US-Regierunge­n verfochten eine stramm prowestlic­he Sicherheit­s-, Außenund Wirtschaft­spolitik. Doch diese Eckpfeiler der Nachkriegs­politik sind ungewisser denn je, nicht weil Trump unberechen­bar ist – das war stets anzunehmen –, sondern weil sich das amerikanis­che politische System an ihn anpasst und also solches unberechen­bar wurde. Reinhard Heinisch ist Universitä­tsprofesso­r für Österreich­ische Politik in vergleiche­nder europäisch­er Perspektiv­e an der Universitä­t Salzburg, wo er auch als Leiter der Abteilung Politikwis­senschaft fungiert. Von 1986 bis 2009 lebte und arbeitete Reinhard Heinisch in den USA, wo er zuletzt an der University of Pittsburgh als Professor of Political Science tätig war.

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BILD: SN/AP Unberechen­bar ist in den USA nicht mehr bloß Präsident Trump.
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Reinhard Heinisch

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