„Tatort“: Wie glücklich sind die Ermittler?
Die einflussreiche Krimireihe packt brisante gesellschaftliche Probleme an. Das Privatleben ihrer Ermittler hinkt aber hinter der Realität her.
SALZBURG. Wie halten es „Tatort“Ermittler mit der Liebe? Was macht ihr Privatleben? Diese Krimireihe aus verschiedensten Städten Deutschlands, aber auch aus Österreich und der Schweiz, bietet breit gestreute Persönlichkeitsmuster. Während die Reihe getreu ihrer Konzeption aktuelle gesellschaftliche Themen und Phänomene aufs Korn nimmt und in eine Kriminalhandlung bettet, sind deren Protagonisten längst nicht mehr nur „Ermittlerpuppen“.
Lars Jacob, Sprecher für die Ersten Programme der ARD, verdeutlicht den Wandel, der sich bei den Kommissarinnen und Kommissaren seit den 1990er-Jahren vollzogen hat: „Der ,Tatort‘ ist komplexer geworden, seit die diversen Redaktionen sich entschieden haben, die Privatleben in die Handlungen stärker zu integrieren. Auch für die Schauspieler ist es interessanter, wenn ihre Figuren private Dimensionen entwickeln, sie können sich dann besser mit ihnen identifizieren“, sagt Jacob den SN.
Das Geheimnis des vornamenlosen Herrn Lessing und seiner Kollegin Kira Dorn in Weimar ist ein offenes: Christian Ulmen und Nora Tschirner spielen das einzige richtige „Tatort“-Ermittlerpaar. Eine ähnliche Konstellation gab es erst einmal, bei der Filiale in Leipzig, als sich mit Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) ein allerdings bereits geschiedenes Ehepaar für die einzelnen Fälle zusammenraufen musste.
Richtige Einzelgänger/-innen mit wenig Kontakt zum jeweils anderen Geschlecht sind Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), die aber immerhin Mutter und Sohn hat, weiters Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), Klaus Borowski (Axel Milberg), Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec).
Sogar der „Columbo“-Effekt hat im „Tatort“seinen Platz, wenn etwa der Kölner Ermittler Freddy Schenk (Dietmar Bär) häufig von Frau und Tochter spricht, diese aber nie in Erscheinung treten.
Eine Studie der Berliner Paartherapeutin Diana Boettcher ergab, dass 80 Prozent der „Tatort“-Kommissare Single sind. Je zehn Prozent sind verheiratet oder leben in einer Beziehung. Damit, so Boettcher, fallen die Ermittler völlig aus der Durchschnittsverteilung der Gesellschaft heraus, in der nur 46 Prozent der Bürger/-innen ohne Partner sind. Freilich berücksichtigt dieser Vergleich nicht die spezifischen Umstände der Berufsgruppen bei Polizei- und Kriminalbeamten.
Der hohe Anteil von Singles wirkt sich auf den Kinderreichtum aus: Sie haben nur 0,57 Kinder pro Kopf (statt 1,59 im Bevölkerungsdurchschnitt). Überraschend fällt der Geschlechtervergleich aus. Immer noch herrscht im „Tatort“ein Männerüberschuss: Auf 57 Prozent Ermittler kommen nur 43 Prozent Kommissarinnen.
Deutlich ist der Unterschied zwischen den Sonntagabend-Kommissaren/-innen und Durchschnittsdeutschen bei der sexuellen Identität. So stellt die Studie fest, dass 95 Prozent der Ermittler heterosexuell sind, fünf Prozent bisexuell und kein einziger schwul oder lesbisch.
Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung in Cottbus, hat im Vorjahr eine Untersuchung geleitet, die dazu passt. Sie ließ von ihren Studenten die Sexualität von Fernsehfiguren erkunden. „Für spezielle Aussagen zum ,Tatort‘ im Besonderen war diese Reihe im Sample nicht oft genug vertreten. Die generelle Aussage der Studie ist aber, dass 60 Prozent der TVProtagonisten heterosexuell waren und bei 40 Prozent die Haltung nicht thematisiert wurde. Diese Studie wird 2019 und 2020 wiederholt werden“, so Prommer zu den SN.
Der „Tatort“wird ab 5. August keine neuen Ermittlerteams präsentieren. Als Experiment startet die Saison allerdings mit dem Schweizer „Die Musik stirbt zuletzt“, der in bester HitchcockManier die Einheit von Zeit und Raum wahrt, also in einem Stück aus einer einzigen Kameraeinstellung gedreht wurde.
„Der Tatort“setzt sogar auf den „Columbo“-Effekt