Die Bürger sind zu größeren Veränderungen bereit
Mehr Gesundheit, ohne dass die Kosten explodieren: Das ist machbar, wenn man nur will.
Einer der größten Wirtschaftszweige Österreichs mit zehn bis elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also einem Zehntel der Wirtschaftsleistung, ist der Gesundheitsmarkt. Genau in diesem Markt, der so viele Kunden hat wie das Land Bürgerinnen und Bürger, bahnt sich ein enormer Umbruch an: Die Kinder, die jetzt die Schulbank drücken, werden es schon als junge Erwachsene erleben, dass sie nach einem Unfall nicht mehr ins Spital eingeliefert werden, sondern noch am Unfallort durchleuchtet werden, eine Diagnose gestellt wird und an Ort und Stelle beispielsweise ein Gips angelegt wird.
Denn es wird mobile Diagnose- und Behandlungsstationen geben, die kleine, sehr leistungsfähige Geräte haben, die Millionen von Daten vergleichen können, den Arzt mit einem sehr genauen Diagnosevorschlag unterstützen und einen maßgeschneiderten Gips oder Verband via 3D-Drucker produzieren. Für die Patienten ist das ein riesiger Vorteil: Sie ersparen sich den kräfteraubenden Transport und Stunden bis Tage im Spital, das ja, Stichwort Krankenhauskeime, immer auch ein sehr gefährlicher Ort ist. Je nachdem, wie groß der Ärztemangel in dieser Zukunft ist, wird ein Arzt noch direkt an den Unfallort kommen oder aber nur noch online zugeschaltet sein. Jedenfalls wird sich sein Beruf gewaltig wandeln. Da man Daten und als solche auch Bilder sehr genau übertragen kann, wird das, was jetzt zaghaft als Gesundheits-Hotline für Erstauskünfte beginnt, in einigen Jahren völlig normal sein: Ferndiagnosen, basierend auf sehr genauen Patientendaten, wie es sie bisher in dieser Qualität nicht gegeben hat, entweder vom Patienten oder seinen Angehörigen selbst gemessen, eingegeben oder von anderen Profis weitergeleitet. Das wird niedergelassene Ärzte wie auch Ambulanzen enorm entlasten und bietet gleichzeitig mehr Lebensqualität für die Patienten, denen es häufig nicht zuzumuten ist, in ihrem Zustand auch noch zu einem Arzt oder ins nächste Spital zu fahren.
Denkt man konsequent weiter, welche Möglichkeiten es gibt, den Gesundheitsmarkt anders zu organisieren als heute, kommt man zu einem signifikanten Schluss: Auch wenn es immer mehr ältere Menschen gibt, könnte die gesamte Bevölkerung gesünder sein, als sie es heute ist, ohne dass es zu einer Kostenexplosion kommen muss. Länder wie Israel oder Neuseeland machen dies vor. Die Politik, bei Bund, Ländern und Gemeinden inklusive der Sozialversicherungen, müsste sich nur trauen, die Versorgung wesentlich digitaler und dezentraler zu denken, als sie es heute tut, und radikale Veränderungen zulassen, ja sogar fördern. Freilich wird es auch künftig noch Krankenhäuser brauchen, allerdings werden diese spezialisierter sein als heute und vor allem den schweren Fällen vorbehalten sein. Und man wird der Prävention ein neues Gewicht geben müssen.
Wetten, dass sehr viele Bürger schon heute zu großen Veränderungen bereit sind, wenn für sie Vorteile wie die oben genannten herausschauen? Im Gegenteil: Digitale Medien verändern das Alltagsverhalten in einem rasanten Tempo. Es wäre absurd, einen der wichtigsten Märkte und Versorgungsbereiche davon auszunehmen. Gertraud Leimüller leitet ein Unternehmen für Innovationsberatung in Wien und ist stv. Vorsitzende der creativ wirtschaft austria.