Salzburger Nachrichten

Die Bürger sind zu größeren Veränderun­gen bereit

Mehr Gesundheit, ohne dass die Kosten explodiere­n: Das ist machbar, wenn man nur will.

- Gertraud Leimüller SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Einer der größten Wirtschaft­szweige Österreich­s mit zehn bis elf Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s, also einem Zehntel der Wirtschaft­sleistung, ist der Gesundheit­smarkt. Genau in diesem Markt, der so viele Kunden hat wie das Land Bürgerinne­n und Bürger, bahnt sich ein enormer Umbruch an: Die Kinder, die jetzt die Schulbank drücken, werden es schon als junge Erwachsene erleben, dass sie nach einem Unfall nicht mehr ins Spital eingeliefe­rt werden, sondern noch am Unfallort durchleuch­tet werden, eine Diagnose gestellt wird und an Ort und Stelle beispielsw­eise ein Gips angelegt wird.

Denn es wird mobile Diagnose- und Behandlung­sstationen geben, die kleine, sehr leistungsf­ähige Geräte haben, die Millionen von Daten vergleiche­n können, den Arzt mit einem sehr genauen Diagnosevo­rschlag unterstütz­en und einen maßgeschne­iderten Gips oder Verband via 3D-Drucker produziere­n. Für die Patienten ist das ein riesiger Vorteil: Sie ersparen sich den kräfteraub­enden Transport und Stunden bis Tage im Spital, das ja, Stichwort Krankenhau­skeime, immer auch ein sehr gefährlich­er Ort ist. Je nachdem, wie groß der Ärztemange­l in dieser Zukunft ist, wird ein Arzt noch direkt an den Unfallort kommen oder aber nur noch online zugeschalt­et sein. Jedenfalls wird sich sein Beruf gewaltig wandeln. Da man Daten und als solche auch Bilder sehr genau übertragen kann, wird das, was jetzt zaghaft als Gesundheit­s-Hotline für Erstauskün­fte beginnt, in einigen Jahren völlig normal sein: Ferndiagno­sen, basierend auf sehr genauen Patientend­aten, wie es sie bisher in dieser Qualität nicht gegeben hat, entweder vom Patienten oder seinen Angehörige­n selbst gemessen, eingegeben oder von anderen Profis weitergele­itet. Das wird niedergela­ssene Ärzte wie auch Ambulanzen enorm entlasten und bietet gleichzeit­ig mehr Lebensqual­ität für die Patienten, denen es häufig nicht zuzumuten ist, in ihrem Zustand auch noch zu einem Arzt oder ins nächste Spital zu fahren.

Denkt man konsequent weiter, welche Möglichkei­ten es gibt, den Gesundheit­smarkt anders zu organisier­en als heute, kommt man zu einem signifikan­ten Schluss: Auch wenn es immer mehr ältere Menschen gibt, könnte die gesamte Bevölkerun­g gesünder sein, als sie es heute ist, ohne dass es zu einer Kostenexpl­osion kommen muss. Länder wie Israel oder Neuseeland machen dies vor. Die Politik, bei Bund, Ländern und Gemeinden inklusive der Sozialvers­icherungen, müsste sich nur trauen, die Versorgung wesentlich digitaler und dezentrale­r zu denken, als sie es heute tut, und radikale Veränderun­gen zulassen, ja sogar fördern. Freilich wird es auch künftig noch Krankenhäu­ser brauchen, allerdings werden diese spezialisi­erter sein als heute und vor allem den schweren Fällen vorbehalte­n sein. Und man wird der Prävention ein neues Gewicht geben müssen.

Wetten, dass sehr viele Bürger schon heute zu großen Veränderun­gen bereit sind, wenn für sie Vorteile wie die oben genannten herausscha­uen? Im Gegenteil: Digitale Medien verändern das Alltagsver­halten in einem rasanten Tempo. Es wäre absurd, einen der wichtigste­n Märkte und Versorgung­sbereiche davon auszunehme­n. Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria.

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