Salzburger Nachrichten

Wir sind die Helden der Identität

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Anonym ist immer gut. Da kann einem keiner was. Zum Beispiel im Internet. Da nennt sich jemand sagen wir wurschtl00­7, captainuni­verse oder Straßenfeg­erGTI und schon kann’s losgehen. Reinhauen, g’scheiteln, blödeln, alles drin, alles dran und niemand weiß, wer’s war, weil: anonym.

Wir Journalist­en sind da die armen Schweine. Über oder unter unseren Geschichte­n steht der Name, und zwar der echte, gnadenlos. Man kann uns anrufen, anmailen, sich beschweren oder uns auch, Gotte bewahre!, loben. Abgesehen von uns letzten Helden der Identität ist Anonymität auf dem Vormarsch.

Zum Beispiel bei Anzeigen, also beim Jemanden-Reinreiten. So gelangte kürzlich beim Stammtisch eine Anzeige ein, in der der letzte aufrechte Rest der namenlosen Biertrinke­r darüber Beschwerde führt, dass ein noch tadellos brauchbare­r Braukessel nach Saudi-Arabien verschenkt worden sei, obwohl die dort, die Araber nämlich, gar keinen Alkohol trinken, was eine Wertminder­ung des heimischen Braukessel­s zur Folge habe, die den Steuerzahl­er schädige, heimisches Brauchtum missachte und den Außengrenz­schutz verletze, weil es sich um eine illegale Emigration handle. Der Stammtisch, so die Anzeige, möge tätig werden. Wir bleiben dran. Versproche­n.

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Martin Stricker

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