Salzburger Nachrichten

Meistens kommt es anders

Die Finalisten bei der Fußball-WM in Russland stehen fest – Zeit für ein erstes Fazit. Die wichtigste­n Thesen, die vor dem Turnier aufgestell­t wurden, im Faktenchec­k.

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Die Zweifel vor der WM in Russland waren groß. Kann Deutschlan­d den Titelverte­idigerFluc­h besiegen? Nutzt Wladimir Putin das Turnier für eine Propaganda­show? Zerstört der Videobewei­s die Freude am Fußball? Welche Befürchtun­gen haben sich bestätigt, welche Erwartunge­n haben sich erfüllt? These: Der Titelverte­idiger hat es bei einer WM schwer. Bewertung: richtig Fakten: Nach Frankreich (2002), Italien (2010) und Spanien (2014) erwischt es auch Deutschlan­d. Zum vierten Mal bei den fünf vergangene­n Weltmeiste­rschaften ist das Turnier für den amtierende­n Champion schon nach der Vorrunde zu Ende.

These: Die großen Stars entscheide­n Turniere.

Bewertung: falsch Fakten: Teamgeist statt Einzelkönn­er lautet ein WM-Trend. Die alte Riege der Weltstars ist früh draußen: Cristiano Ronaldo kann auch mit vier Toren das Achtelfina­l-Aus für Portugal nicht verhindern, Lionel Messi geht mit Argentinie­n im Chaos unter. Von Neymar bleiben nur Schauspiel­einlagen in Erinnerung. Stattdesse­n stoßen Harry Kane, Kevin De Bruyne, Kylian Mbappé und Luka Modrić in die höchste Star-Kategorie vor.

These: Der Videobewei­s bringt durch unerfahren­e Schiedsric­hter Chaos.

Bewertung: falsch Fakten: Die WM macht der Bundesliga vor, wie der Videobewei­s eingesetzt werden sollte. Überwiegen­d sorgen die Assistente­n vor den Bildschirm­en in Moskau für mehr Gerechtigk­eit, schreiten nur bei klaren Situatione­n ein. Knapp 30 Mal wird der Videobewei­s sichtbar eingesetzt. Für Diskussion­en sorgt das Hilfsmitte­l vor allem dann, wenn die Unparteiis­chen drauf verzichten – so ist für den deutschen Schiedsric­hter Felix Brych nach seinem nicht gegebenen Elfmeter für Serbien die WM ohne weiteren Auftritt beendet.

These: Die WM wird zur Dauer-Propaganda­show für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin.

Bewertung: nur bedingt richtig Fakten: Beim 5:0 der Sbornaja im Eröffnungs­spiel gegen Saudi-Arabien bemitleide­t Putin Kronprinz Mohammed bin Salman auf der Ehrentribü­ne. Ansonsten macht sich der Kremlchef rar, zeigt sich vor dem Finale nicht mehr im Stadion. Und doch sonnt sich Putin gern im Licht der WM, empfängt Legenden wie Lothar Matthäus im Kreml, präsentier­t sich als Vertrauter von FIFAChef Gianni Infantino auf dem Roten Platz. Der russische Präsident darf sich als WM-Gewinner fühlen. Trotz aller politische­n Spannungen lobt selbst Englands Coach die WM in höchsten Tönen. „Die Organisati­on ist erstklassi­g“, sagt Gareth Southgate. „Es gab viele Storys vor dem Turnier, von denen ich schon vorher wusste, dass sie falsch sind – und das hat sich bewiesen.“

These: Die WM wird von rassistisc­hen Übergriffe­n und HooliganAn­griffen vor allem von russischen Fans überschatt­et.

Bewertung: falsch Fakten: Die Schreckens­bilder aus Marseille von der EM 2016, als sich russische Hooligans mit Engländern prügelten, wiederhole­n sich nicht. Stattdesse­n zieht das AntiDiskri­minierungs-Netzwerk Fare ein weitgehend positives Fazit: Rassistisc­he Vorfälle gab es bis zu den letzten Spielen keine, nur sexistisch­e Übergriffe trüben das Bild. Ob sich die Situation beispielsw­eise für Homosexuel­le nach der WM nicht doch wieder verschlech­tert, bleibt abzuwarten. These: Die WM wird wie die Olympische­n Winterspie­le von Sotschi 2014 zu einem Dopingfest. Bewertung: seriös nicht zu beantworte­n

Fakten: Die FIFA steht wegen eines intranspar­enten Testsystem­s in der Kritik von Experten. Details und genaue Zahlen zum Anti-Doping-Programm während des Turniers gibt es nicht, nur die Aussage: keine positiven Tests. Die Laufleistu­ng des russischen Teams sorgte zumindest für Verwunderu­ng.

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BILD: SN/AP In Russland durften nicht nur kroatische Fans unbeschwer­t feiern – trotz einer strengen Polizeiauf­sicht.

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