Südkärnten lockt mit „Badezusatz“
St. Kanzian am Klopeiner See zählte einst hinter Wien zu den im Sommer nächtigungsstärksten Tourismusgemeinden in Österreich. Heute weiß man, ein schöner See ist das Herzstück, aber allein zu wenig.
ST. KANZIAN. Mit spiegelglatter Oberfläche liegt der Klopeiner See da. Auf dem Badesteg des Hotels Silvia werden die ersten gelb-weißen Badetücher ausgelegt und mit persönlichen Utensilien reserviert. Die große Badewanne teilen sich die morgendlichen Schwimmer. Zu ihnen gesellen sich Karpfen, Enten und ein uralter Wels von über zwei Metern. Von Letzterem erzählen zumindest die Fischer. Erst später kommen Stand-up-Paddler und Tretbootfahrer hinzu, die Idylle bleibt. Motorisiert ist hier ausschließlich die Wasserrettung.
Der See hat den Ruf – nicht als einziger –, der wärmste der Alpen zu sein, was in der Morgenfrische überrascht. Dabei stand am Vorabend der „See in Flammen“. Das Feuerwerk erhellte den Nachthimmel als Abschluss des See-in-Flammen-Fests, des Startschusses für den Hochsommer und zugleich die Hochsaison. Doch allein die Möglichkeit, in warmem Wasser baden zu können, ist heutzutage zu wenig. Das weiß auch der Regions-Geschäftsführer Daniel Orasche. Es brauche, sagt er, zusätzlich ein Feuerwerk an Ideen.
Vor einigen Jahrzehnten war die Klopeiner-See-Gemeinde St. Kanzian im Sommerhalbjahr sogar noch die nächtigungsstärkste Gemeinde Österreichs nach Wien. Mit über 800.000 Übernachtungen im Jahr 2017 hält man zwar noch immer Rang sechs, aber vom ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Rekord ist man weit entfernt, auch wenn es nun wieder bergauf geht.
Als jüngste Initiative wurde diesen Mai die Sommer Aktiv Card eingeführt. Wer in der Region übernachtet, kann täglich unter mehreren kostenlosen Aktivitäten wählen. Von begleiteten Wanderungen und Radtouren – von Rennrad bis Mountainbike – bis hin zu zahlreichen sportlichen Schnupperangeboten: Golf, Klettern, Fischen, Reiten, Schnorcheln, Stand-up-Paddeling. Dabei lernt man auch einiges über die Vorlieben der Gäste. „Überrascht sind wir zum Beispiel vom Ansturm aufs Bogenschießen beim Wildensteiner Wasserfall“, sagt Orasche. Neben der Unterhaltung der Gäste hat die Aktiv Card vor allem aber eine wichtige Aufgabe. „Wir schaffen diese Möglichkeiten auch, um den Betrieben Investitionsdruck in diesem Segment zu nehmen. Die sollen sich auf die Bettenqualität konzentrieren“, erklärt Orasche. So stehen etwa vier Tennisplätze frei zur Verfügung, punktuell auch Leihmaterial bis hin zu E-Bikes. Künftig soll auch eine größere Indoor-Spielmöglichkeit geschaffen werden. Wie weit diese Maßnahmen die Zimmerqualität heben werden, bleibt offen. Denn dass durch die deutliche Einsaisonalität die meisten Hotels weiterhin eher durch den Blick auf den See als zeitgemäßes Interieur bestechen, ist offensichtlich.
Und bisher haben von den 530 Betrieben in der Region erst 250 die Cards für ihre Gäste ausgegeben. „Die anderen müssten die Card nur abholen und online freischalten. Aber 100 Betriebe waren unsere Untergrenze“, sagt Orasche und sieht den Start positiv.
Die Sommer Aktiv Card lebt vom Prinzip „gratis“. Nur beim BahnhofShuttle dient sie als Ermäßigungskarte, doch selbst die Nostalgiefahrt mit dem Cabrio-Bus oder der originelle Springschuhkurs kostet nur die rechtzeitige Anmeldung. Eintritte zu Veranstaltungen und in Museen allerdings nicht enthalten. Beim Radausflug zum Kreuzweg in Stein im Jauntal sind die Kunstwerke aber ohnehin im öffentlichen Raum angesiedelt. Hier haben zeitgenössische Künstler jeweils eine Station gestaltet. Im Falle der – kurz nach Eröffnung des Kreuzwegs 1997 verstorbenen – Pop-Art-Künstlerin Kiki Kogelnik wurde das Kunstwerk hinter Glas gestellt. Leider zu spät. Denn die nach ihrer Aussage „keramischen Nudeln, die aus der Wand als Symbol der Verletzlichkeit herauswachsen“, waren bereits zu einem Viertel dem Vandalismus zum Opfer gefallen.
Kunst und Kultur sind für Südkärnten ein beliebter „Badezusatz“. Besonders das moderne Privatmuseum Liaunig in Neuhaus, das österreichische Kunst nach dem Jahr 1945 zeigt, wird immer häufiger besucht. Dieses Jahr sollte aber das Werner-Berg-Museum in Bleiburg ein besonderer Magnet werden. Mit großflächig aufgezogenen Holzschnitten steht schon der Hauptplatz ganz im Zeichen des deutschen Expressionisten, der seit 1931 als Bauer und Maler auf einem Bergbauernhof hoch über der Drau lebte. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums konzentriert man sich in einer höchst sehenswerten Werkschau im Museum ausschließlich auf Werner Berg. Noch näher am Urlauberpublikum befindet man sich mit einer erfrischend freizügigen Interpretation von Shakespeares „Sommernachtstraum“im Freilufttheater Stift Eberndorf.
Doch damit der touristische Auf- schwung kein Sommernachtstraum bleibt, will man speziell die Jugend ansprechen und damit an alte Zeiten anknüpfen. „Früher waren hier mehr junge Leute“, sagt Patrick Riepl, der in einem Casting zum Social-Media-Reporter vom Klopeiner See erkoren wurde. Der 23-Jährige „urlaubt“diesen Sommer bezahlterweise in der Region, um anderen jungen Menschen den Spaß online näherzubringen. Die Werbeidee geht ins zweite Jahr. Die Kosten dafür seien überschaubar, heißt es. Auch in die Sommer Aktiv Card fließen nur bescheidene 100.000 Euro des insgesamt 1,4-Millionen-EuroBudgets der Region.
Klar ist aber allen, dass die traditionellen Qualitäten des Sees weiterhin im Mittelpunkt stehen werden. Etwa der 5,5 Kilometer lange Rundweg um den See, den man beim Wandern nie aus den Augen verliert. Denn ungewohnt für einen Kärntner See sind die weitläufigen freien Seezugänge. Sogar ein öffentlicher Fitness-Beach wurde jüngst eingerichtet.