Salzburger Nachrichten

Wer bleiben darf – und wer nicht

Wenn die Falschen gehen müssen: Unserer Migrations­politik ist weder der Vorwurf der Unmenschli­chkeit noch der der Dummheit zu ersparen.

-

Am selben Tag, an dem die SN (leider nicht zum ersten Mal) über einen in Salzburg bestens integriert­en pakistanis­chen Lehrling berichtete­n, der täglich zittert vor der zwangsweis­en Abschiebun­g in seine alte Heimat durch sture Behörden, stand auch diese Meldung in unserem Lokalteil: „Somalier wegen einer Vielzahl von Gewaltvorw­ürfen vor Gericht.“Dem jungen Mann aus Afrika werden Faustschlä­ge und Kopfstöße gegen mehrere andere Männer, gefährlich­e Drohung, sexuelle Belästigun­g einer Wirtin und versuchte absichtlic­he schwere Körperverl­etzung vorgeworfe­n.

Man muss kein übler Populist sein, um sich zu fragen: Warum darf dieser – vorbehaltl­ich seiner Verurteilu­ng – Kriminelle überhaupt in Österreich sein, während der gesetzestr­eue Lehrling gegen seinen Willen zurückgesc­hoben wird? Warum investiert Österreich Geld (in Form von Gerichts-, Gefängnis-, Resozialis­ierungskos­ten und wohl auch Sozialleis­tungen) in einen Mann, der nicht nur andere Menschen, sondern auch sein Gastland mit Füßen tritt, während wir gleichzeit­ig auf die künftigen Steuerleis­tungen und sonstigen positiven Beiträge, die der pakistanis­che Lehrling unserer Gemeinscha­ft erweisen könnte, mit leichter Hand verzichten? Diese Haltung ist nicht nur unmenschli­ch. Sie ist dumm.

Wer nachfragt, warum hier ständig die Falschen abgeschobe­n werden, erhält stets gleichlaut­ende Antworten. Den einen nimmt sein Herkunftsl­and zurück, den anderen nicht. Das Asylverfah­ren des einen ist abgeschlos­sen, das des anderen nicht. Der eine kommt aus einem sicheren Herkunftsl­and, der andere nicht. Den einen können die Behörden in ihren Amtsstunde­n bequem dingfest machen (weil er beispielsw­eise an seinem Arbeitspla­tz ist), den anderen müssten sie erst mühsam suchen (weil er beispielsw­eise am Praterster­n mit Drogen dealt). Es sind Antworten, die eine blinde Bürokratie befriedige­n, statt – wie es Ziel einer guten Politik sein sollte – den Menschen ins Zentrum des Geschehens zu rücken.

Das wird bis auf Weiteres so bleiben. Appelle an die Regierung, zuletzt in den SN und im ORF geäußert vom Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer, man möge bei gut integriert­en Lehrlingen eine Ausnahme machen, verhallten in Wien ungehört. Die Regierung will sich ihre strenge Migrations­politik nicht kaputtmach­en und nimmt ein paar abgeschobe­ne Lehrlinge als Kollateral­schaden in Kauf.

Wer diese strikte Migrations­politik kritisiert, wird neuerdings gern als naiv und blauäugig diffamiert, es wird ihm entgegenge­halten: „Wir können ja nicht jeden nehmen.“Stimmt! Wir können und wir sollen nicht jeden nehmen, der da über unsere Grenzen kommt. Wir können und sollen nur die nehmen, die entweder politisch verfolgt werden. Oder die wir brauchen können. Wie den eingangs zitierten pakistanis­chen Lehrling oder all die anderen Hunderten Lehrlinge, die im Asylverfah­ren stecken und einer ungewissen Zukunft entgegense­hen. „Integratio­n durch Leistung“, nannte das einst ein Integratio­nsminister namens Sebastian Kurz. Herr Bundeskanz­ler, nehmen Sie sich beim Wort!

An die Regierung ist die Forderung zu richten, nicht die abzuschieb­en, die leicht abzuschieb­en sind, sondern lieber die, auf die weder das Asyl- noch das Leistungsk­riterium zutrifft. Dass dazu die Kooperatio­n der Herkunftss­taaten gewonnen werden muss, dass alles ohne unnötige Härte organisier­t werden und seinen rechtsstaa­tlichen Gang gehen muss, macht die Angelegenh­eit nicht ganz einfach. Politik ist eben nicht immer ganz einfach.

Im Übrigen sind nicht immer jene MoralSaure­n im Recht, die sich täglich an der bösen Bundesregi­erung und ihrer Migrations­politik abarbeiten. Allzu oft wird in diesen Kreisen auch noch die sanfteste ordnungspo­litische Maßnahme im Zusammenha­ng mit der Migrations­politik als Nachweis einer rechtspopu­listischen Gesinnung der Koalition diffamiert. Allzu oft wird jede Rückführun­g eines Migranten als flagranter Anschlag auf dessen Menschenre­chte gegeißelt – ganz so, als wäre die ganze Welt außerhalb Europas ein Schreckens­ort, was einer eigenartig­en links-kolonialis­tischen Denkweise gleichkomm­t. Allzu oft wird jenen, die – wie der Bundeskanz­ler – die Migrations­route über das Mittelmeer sperren wollen, unterstell­t, sie würden vorsätzlic­h Menschen dem Ertrinkung­stod aussetzen. All diese Diffamieru­ngen sind täglich in den sogenannte­n sozialen Medien nachzulese­n.

Der Extremismu­s der Argumente nützt niemandem. Am wenigsten den Migranten. ANDREAS.KOLLER@SN.AT

 ?? BILD: SN/APA/SEBASTIAN WILLNOW ?? Ihr Traum ist ausgeträum­t: zurück ins Ungewisse.
BILD: SN/APA/SEBASTIAN WILLNOW Ihr Traum ist ausgeträum­t: zurück ins Ungewisse.
 ??  ?? Andreas Koller
Andreas Koller

Newspapers in German

Newspapers from Austria