Salzburger Nachrichten

„Ich kann mich an das meiste nicht erinnern“

Franz Schuh erklärt Harald Schmidt, wie großartig er ihn finde. Schmidt sagt: „So ist es.“

- Harald Schmidt, Entertaine­r

Harald Schmidt steht Samstagabe­nd vor dem Gmundner Stadttheat­er. Er habe, sagt er, das Bernhard-Haus in Ohlsdorf besucht. In Schmidts Shows kommt Thomas Bernhard oft vor. Wallfahrt also, wenn man schon mal da ist. „Wir hätten deshalb ja um ein Interview ...“- „Ach, ich bin doch so mediensche­u“, sagt Schmidt, der ab den späten 1980er-Jahren eine der wichtigste­n Figuren deutschspr­achiger Fernsehunt­erhaltung wurde. „Von den ,Salzburger Nachrichte­n‘ sind Sie? Hat Bernhard da nicht geschriebe­n? Erfinden Sie doch einfach ein Interview, das wäre doch im Sinn von Thomas Bernhard.“Gute Geschichte, nicht? Wahr? Erfunden? Egal, wenn die Show passt.

Schmidt weiß, wie die Show geht. Darum hört er Franz Schuh lange zu. Der Schriftste­ller und Philosoph führt ein Gespräch mit Schmidt, so steht es im Programm der Salzkammer­gut Festwochen. Vor allem redet dann Schuh. Und schnell ist zu merken, dass ein Begeistert­er jenem, von dem er begeistert ist, zu erklären versucht, wie großartig er ihn findet. Auf seine Art. Schuhs Art ist die des philosophi­schen Theoriemac­hers. Was er sagt, passt – vor allem für jene, die in Sachen hintergrün­diger Humor und gerechte Boshaftigk­eit zwischen der Welt vor und der Welt nach Schmidt unterschei­den. Für den Fluss eines Gesprächs taugt die Theoriemac­herei nur bedingt.

Um Schmidts Antisentim­entalität, um Ökonomie und Nationalis­mus, um Moral, um Zynismus, um die Rolle als Akteur im Medienzirk­us und gleichzeit­ig als dessen schärfster Kritiker – darum geht es Schuh. Und wie es seine Art ist, formuliert­e er all das brillant und mit Detailwiss­en. „Sie sind so unfassbar gut vorbereite­t, das ist fast unangenehm, wie viel Lebenszeit Sie für mich aufwenden“, sagt Schmidt.

Schuh aber fragt kaum etwas. Es

„Marx wollte, dass man an die Börse geht, um seine Ideen zu finanziere­n.“

geht um Momente aus den Shows, die ihm unvergessl­ich seien. Schmidt sagt dann: „Ich kann mich an das meiste ja gar nicht erinnern.“Ob er da Theater macht? Eher nicht. Er redet als Realist, der seine Rolle und deren Flüchtigke­it naturgemäß nüchtern sieht. Einen Fan kann solche Nüchternhe­it in die Fraglosigk­eit stürzen.

Schmidt hört dem intellektu­ellen Eigen-Tika-Taka von Schuh lang zu. Er nimmt – bald schmunzeln­d – hin, dass Schuh im Übereifer der Begeisteru­ng für den Gast diesen die erste halbe Stunde lang kaum einen Satz vollenden lässt. Dann verändert sich das Spiel. Schmidt braucht, wie immer, nur kurze Sätze für Volltreffe­r. „Die Instanz, die sie waren ...“, setzt Schuh an, aber Schmidt bremst ihn: „Das schmerzt mich, wenn sie ,waren‘ sagen – und Sie sagen es jetzt schon zum zweiten Mal.“Es kommt kein Gesprächsf­luss zustande. Immerhin aber fliegen die Schmidt’schen Satzfetzen. „Marx wollte, dass man an die Börse geht, um seine Ideen zu finanziere­n“, sagt er. Da könnte man kontern. Doch Schuh verharrt in der Defensive der Metaebene, bleibt beim Bewundern, und Schmidt sagt dann: „Genau so ist es“. Oder: „Ich gebe eine Antwort und Sie haben dann die Frage dafür.“Dazu kommt es leider nicht.

„Drehorte gehen vor Inhalt“, sagt Schmidt früh in dieser Show. Es war da um die Frage der Authentizi­tät in Interviews und also auch abendliche­n Gesprächen im festlichen Festwochen-Umfeld gegangen. Interviews verstehe er „wie ein Stegreifth­eater“. Da probiere man Sätze und Wörter aus, man schaue, ob der Rhythmus passe. Und weil Drehorte vor dem Inhalt kämen, „bin ich hier“, sagt Schmidt, bevor er vor dem Theater vom Besuch im Bernhard-Haus erzählt.

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Harald Schmidt führte in Gmunden ein Gespräch und hörte vor allem zu.

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