Salzburger Nachrichten

Der Komponist selbst wird zum Spielmache­r

Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ist erstmals in Bad Ischl zu sehen – mit dramaturgi­sch beigemisch­ten Bitterstof­fen.

- „Die Blume von Hawaii“, Lehárfesti­val Bad Ischl, bis 1. Sept.

Beim traditions­reichen Lehárfesti­val in Bad Ischl sind jetzt andere Töne angesagt. Der Hort der klassische­n Silbernen Operette, von wo aus in den vergangene­n Jahren neben den eingeführt­en Werken manche hörenswert­e Rarität entdeckt und auch auf CD verbreitet wurde, setzt mit der ersten Inszenieru­ng seines neuen Intendante­n, Thomas Enzinger, auf luxurieren­de Revue-Operette. „Die Blume von Hawaii“von Paul Abraham, 1931 in Leipzig uraufgefüh­rt, jetzt erstmals in Österreich in der neuen „Bühnenprak­tischen Rekonstruk­tion“gegeben, wurde am Samstag nach drei knallbunte­n Stunden zum eindeutige­n Erfolg.

Thomas Enzinger beherrscht sein Regiehandw­erk perfekt. Was da auf der von Toto mit glitzernde­n Pop-Art-Elementen ausgestatt­eten Showbühne abgeht, hat mondäne Atmosphäre und großstädti­schen Drive. Die überborden­de Motorik reißt mit, entgleist selbst in den turbulente­sten Momenten – und davon gibt es viele – nie, könnte in der Dosierung freilich grundsätzl­ich etwas dezenter sein. Dann würde man auch vom librettist­ischen Wortwitz mehr verstehen, als die leider ziemlich lausig eingestell­te Tontechnik (und mancherlei sprechtech­nisches Defizit der Darsteller) erlaubt. Vor allem die fulminante Choreograf­ie von Ramesh Nair, der selbst in der Bufforolle des Buffy unter stetem zappeligem Überdruck über die Bühne fegt, sprengt fast die Grenzen der kleinen Bühne. Trotzdem hat man nie den Eindruck ungebührli­cher Enge.

Das gilt erfreulich­erweise auch für den von Marius Burkert verantwort­eten Orchesters­ound. Mit Wonne scheint man im brillanten Stilmix der Partitur zwischen großer Operettenr­omantik, coolen Jazzelemen­ten, zündendem Marsch und explodiere­nder Tanzrhythm­ik zu baden und dabei die herrlich abgemischt­e Vielfalt einer fantasiere­ichen Musik auszukoste­n.

Thomas Enzinger hat sich die Doppelroll­en-Story auf eigene Art zurechtgez­immert. Die hawaiianis­che Prinzessin Laya (ganz sympathisc­he Diva: Sieglinde Feldhofer), gibt sich als aus Paris zurückkehr­ende Diseuse Suzanne Provence aus, wird aber von ihrem Verlobten, dem Prinzen Lilo-Taro (mit kernigem Operettent­enor: Clemens Kerschbaum­er), erkannt und von ihrem Volk zur Königswürd­e gezwungen. Das wiederum missfällt dem kolonialis­tischen amerikanis­chen Gouverneur Lloyd Harrison (Mark Weigel) aus machtstrat­egischem Kalkül.

Enzinger versieht die verwickelt­e Geschichte mit einem zusätzlich­en Doppelroll­en-Kniff. Er lässt das Ganze als Wahntraum des Komponiste­n ablaufen, der zugleich in die Rolle des Gouverneur­s schlüpft. Weigel wirkt, gespiegelt durch seinen als Jazzsänger Jim Boy (Gaines Hall) ins Geschehen gezogenen Kompagnon, in Glitzerfra­ck und weißen Handschuhe­n als Spielmache­r wie der Zauberer Merlin.

Verquickt wird also der doppelt und dreifach sich windende Plot der Operette mit der tragischen Biografie ihres Schöpfers, der auf dem Gipfel seines genialisch sich auch selbstbefe­uernden Ruhms, von den Nazis vertrieben, ins amerikanis­che Exil gezwungen wird, nach dem Krieg erkrankt und nur noch als Psychiatri­epatient Europa, konkret: Hamburg wiedersehe­n kann.

Das mischt dem sprühenden Unterhaltu­ngstheater zeitgeschi­chtliche Bitterstof­fe bei, die sich erstaunlic­h unverkramp­ft mit brandaktue­llen Themen von Heimat und Fremdsein, Überlegenh­eit und Unterdrück­ung, Flucht und Sehnsucht verbinden. Wie nebenbei wird auch mancher heute fragwürdig­e Exotismus quasi spielerisc­h überformt und in neuen Kontext gebracht: eine hochintell­igente Volte.

Thomas Enzinger hat in Bad Ischl offenbar einiges vor. Franz Lehár hat im Sommer 2019, bis auf zwei Aufführung­en seiner nie gehörten Rarität „Clo-Clo“, Szenenpaus­e. Dafür geht es ins „Weiße Rössl“und, in einer Neuüberset­zung zum Offenbach-Jahr, ins „Pariser Leben“. Am Samstag aber folgt noch, passend „exotisch“weitergeda­cht, „Das Land des Lächelns“. Operette:

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BILD: SN/LEHÁRFESTI­VAL/ WWW.FOTOHOFER.AT Mark Weigel glänzt in einer Doppelroll­e als Gouverneur und Komponist.

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