Ein Mann hat richtig Glück im Spiel
Vom Wissenschafter im Labor zum Autor für Brettspiele: Wolfgang Warsch kann derzeit von seinem Hobby leben. Er hat geschafft, was in der Welt der Spiele bisher noch keinem gelungen ist.
Aus einem schwarzen Stoffsackerl zieht Wolfgang Warsch kleine bunte Plättchen. Rote, gelbe, grüne. Das macht er in aller Ruhe und der Reihe nach. Die Stücke klimpern, wenn er sie durcheinanderschüttelt. Auch ein beiges ist dabei. Darauf ist eine Knallerbse abgebildet. „Neiiin, jetzt fliegt mir mein Kessel um die Ohren“, sagt der 38jährige Niederösterreicher und lacht.
Was vor ihm auf dem weißen Tischtuch im Café liegt, hat er selbst erfunden: Ein Brettspiel, das den Titel „Der Quacksalber von Quedlinburg“trägt. Ein großer deutscher Verlag hat es Anfang des Jahres auf den Markt gebracht. Dazu gehören die Kessel auf Karton, die Zutaten für allerlei magische Tränke und die Rubine vor ihm. Warsch erklärt, dass es schon ein eigenartiges Gefühl sei, das eigene Spiel nun in Regalen von Spielzeuggeschäften stehen zu sehen.
Doch nicht nur Spiele-Fans sind auf die „Quacksalber“aufmerksam geworden, sondern auch die Jury des Vereins „Spiel des Jahres“. Diese kürt seit mehr als einem Vierteljahrhundert jedes Jahr gelungene Brett- oder Kartenspiele. Wer sich diese Auszeichnung sichern kann, darf mit Prestige, Werbung und einem ordentlichen Sprung der Verkaufszahlen rechnen. In diesem Kreis der besonders guten Spieleentwickler hat Wolfgang Warsch etwas geschafft, was bisher noch keinem geglückt ist: Er ist in einem Jahr gleich drei Mal nominiert – mit drei völlig unterschiedlichen Spielen. Die „Quacksalber“und das Würfelspiel „Ganz schön clever“mischen in der Kategorie „Kennerspiel des Jahres“mit und „The Mind“steht für das „Spiel des Jahres“auf der Nominierungsliste. Die Verkündung der Gewinner geht am 23. Juli in Berlin über die Bühne. Der Niederösterreicher aus dem kleinen Ort St. Pantaleon neben St. Valentin wird selbstverständlich dabei sein.
Logisches Denken ist eine Eigenschaft, die ein Spiele-Autor besitzen sollte, sagt Warsch. Immerhin müsse man berechnen oder zumindest abschätzen können, wie der Aufbau funktionieren und der Spaß dazukommen könne. Er beschreibt sich selbst als „verkopften Typen“, dem das Tüfteln Spaß macht, ebenso wie Rätsel und Mathematik. „Ich mag Primzahlen“, erklärt der 38-Jährige, der so gar nicht wie ein kühler Zahlen-Freak wirkt. Er nippt an seinem Tee. In den hat er – wie es Engländer gerne machen – einen Schuss Milch gegossen. Er ist offen und scherzt gerne. Eigenschaften, die seine Freunde, neben einem guten Maß an Geselligkeit, sehr an ihm schätzen.
Diese Geselligkeit war es wohl auch, die ihm das Tor in die Brettspielwelt geöffnet hat. Warsch hat in Wien studiert, ist Genetiker und Molekularbiologe. Seinen wissenschaftlichen Doktorgrad PhD hat er mit einem Stipendium an der Universität von Cambridge gemacht. Dort hat er bei der Leukämieforschung im Labor seine Frau – eine Salzburgerin – kennengelernt. Die beiden sind heute Eltern von zwei Kindern, das jüngere ist zwei Monate alt. „In England haben wir so vie- le brettspielbegeisterte Leute gefunden, uns jedes Wochenende getroffen und bis in die Nacht hinein die neuesten Spiele ausprobiert.“Warsch, ganz der logisch Denkende, hat sich währenddessen stets überlegt, wie jedes einzelne Spiel funktioniert, welche Mechanismen dahinter stehen und wodurch die Spannung entsteht.
Früher, bei den Eltern, habe er Schach gespielt und Klassiker wie DKT. „Mit meiner Oma hab ich geschnapst. Ahnung von modernen Spielen hatte ich wenig.“Die kam in Cambridge dazu und Warsch belebte ein altes Hobby wieder: selbst Spiele zu entwerfen. Darin hat er sich schon vor zehn, fünfzehn Jahren versucht und fertige Konzepte an Verlage geschickt. Allerdings ohne allzu großen Erfolg; es kam nur ein Mal zu einer Veröffentlichung bei einem kleinen Verlag. Ganz anders lief es, als er nach den intensiven SpielAbenden in Cambridge erneut den Computer startete und seine Ideen ausformte.
Die besten Chancen für das „Spiel des Jahres“rechnet sich Warsch bei „The Mind“aus. Routiniert öffnet er im Café die Schachtel und nimmt die Karten heraus. Er mischt sie ohne Tricks, mit denen Kartenspieler beim Pokern oder im Casino auffahren. Dann teilt er das Blatt aus, erklärt die Regeln. „Das Konzept war in einer Woche fertig“, erzählt er. Es hat einen ungewöhnlichen Mechanismus, weil es um Zeitgefühl geht. Das Spiel wird bald in 25 Ländern erscheinen. „Das hätte ich mir nie gedacht“, zeigt sich der Niederösterreicher beinahe selbst überrascht vom großen Erfolg.
Ob man mit dem Erfinden von Spielen gut verdient? Er winkt lachend ab. Mit der Buchbranche, die wesentlich mehr für Autoren abwerfe, sei seine Arbeit nicht vergleichbar. „Trotz Lizenzen und Beteiligungen ist nicht damit zu rechnen, dass ich mich bald zur Ruhe setzen kann.“Will er auch gar nicht. Die nächsten Spielideen hat er nämlich bereits zu Papier gebracht.