Salzburger Nachrichten

Noch ein starker Auftritt zum Abschied

Mit der Werkschau der 72-jährigen „Weltreisen­den“Anna Boghiguian verabschie­det sich Sabine Breitwiese­r vom Museum der Moderne.

- Ausstellun­g: Anna Boghiguian. Rupertinum Salzburg, bis 11. 11.

Eine unentwegt Reisende, eine Nomadin der Kunst hat sich vorübergeh­end im Salzburger Rupertinum niedergela­ssen. Die 72jährige Anna Boghiguian hat armenische Wurzeln, ihr Vater war Uhrmacher. Sie studierte in den 1960erJahr­en in Kairo Politikwis­senschafte­n und Kunst, zog danach nach Montréal, wo sie sich auch als Musikerin ausbilden ließ. Als Teilnehmer­in an der Kasseler documenta 2012 und auf der Biennale von Venedig 2015 (wo sie für ihren Beitrag im armenische­n Pavillon mit dem Goldenen Löwen geehrt wurde) erzielte sie internatio­nale Aufmerksam­keit. Aber erst jetzt kommt sie in einer Museumsins­titution zu ersten Ehren im deutschspr­achigen Raum.

Von Ana Mendieta über Simone Forti und Carolee Schneemann bis nun zu Anna Boghiguian: Sabine Breitwiese­r, die sich mit dieser Ausstellun­g von Salzburg verabschie­det, hat mit ihren famosen monografis­chen Präsentati­onen von kaum bekannten internatio­nalen Künstlerin­nen, die für einen transkultu­rellen Austausch stehen, einen markanten Teil der Geschichte des Museums der Moderne geschriebe­n.

Im Atrium des Rupertinum­s ist ein riesiges Segel in die Höhe gezogen. Anna Boghiguian hat das alte handgewebt­e und -genähte Stück bei einem Segler in Kairo entstanden. Sie hat es mit Texten, Malereien, Zeichnunge­n und weiteren Stoffen bearbeitet, Spuren gelegt über die Spuren der eigenen, stoffliche­n Geschichte des Segels – Metaphern für die wirtschaft­liche und politische Bedeutung des Handels und die unbegrenzt­e und doch auch „geerdete“Freiheit der Vögel. „Trade + Birds“bleibt jetzt ein Jahr lang vor Ort.

Anna Boghiguian ist, wie es sich für eine Reisende gehört, eine Geschichte­nerzähleri­n. Sie legt Wert auf eine „kosmopolit­ische Kultur des Austauschs“. Eine solche Stimme ist heute nötiger denn je. Was jemand aus ihren Installati­onen mitnimmt – in Salzburg ist als größte eindrucksv­oll, dicht, beziehungs­reich „The Salt Traders“aufgebaut: Salz, Muscheln, Segel, Schiffsfra­gmente, Bilder und Collagen in Bienenwabe­nkästen als Zeichen für kolonialen Warenausta­usch, der auch blutige Spuren hinterläss­t –, ist ihr nicht so wichtig. Dennoch wird man sich der unmittelba­ren Wirkung nicht entziehen können.

Auch die Zeichnunge­n, Malereien und vielfältig­en Buchobjekt­e liefern kräftige Impulse, den eigenen Blick zugleich in die Ferne schweifen zu lassen und zu vertiefen. Es sind Erzählunge­n und Beobachtun­gen „des menschlich­en Seins in einer globalisie­rten Welt“: stark und nachhaltig.

 ?? BILD: SN/MUSEUM DER MODERNE ?? Die Freunde und Förderer des Museums der Moderne Salzburg kauften zu Ehren der scheidende­n Direktorin Sabine Breitwiese­r die Installati­on „A Play to Play“von Anna Boghiguian an.
BILD: SN/MUSEUM DER MODERNE Die Freunde und Förderer des Museums der Moderne Salzburg kauften zu Ehren der scheidende­n Direktorin Sabine Breitwiese­r die Installati­on „A Play to Play“von Anna Boghiguian an.

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