Noch ein starker Auftritt zum Abschied
Mit der Werkschau der 72-jährigen „Weltreisenden“Anna Boghiguian verabschiedet sich Sabine Breitwieser vom Museum der Moderne.
Eine unentwegt Reisende, eine Nomadin der Kunst hat sich vorübergehend im Salzburger Rupertinum niedergelassen. Die 72jährige Anna Boghiguian hat armenische Wurzeln, ihr Vater war Uhrmacher. Sie studierte in den 1960erJahren in Kairo Politikwissenschaften und Kunst, zog danach nach Montréal, wo sie sich auch als Musikerin ausbilden ließ. Als Teilnehmerin an der Kasseler documenta 2012 und auf der Biennale von Venedig 2015 (wo sie für ihren Beitrag im armenischen Pavillon mit dem Goldenen Löwen geehrt wurde) erzielte sie internationale Aufmerksamkeit. Aber erst jetzt kommt sie in einer Museumsinstitution zu ersten Ehren im deutschsprachigen Raum.
Von Ana Mendieta über Simone Forti und Carolee Schneemann bis nun zu Anna Boghiguian: Sabine Breitwieser, die sich mit dieser Ausstellung von Salzburg verabschiedet, hat mit ihren famosen monografischen Präsentationen von kaum bekannten internationalen Künstlerinnen, die für einen transkulturellen Austausch stehen, einen markanten Teil der Geschichte des Museums der Moderne geschrieben.
Im Atrium des Rupertinums ist ein riesiges Segel in die Höhe gezogen. Anna Boghiguian hat das alte handgewebte und -genähte Stück bei einem Segler in Kairo entstanden. Sie hat es mit Texten, Malereien, Zeichnungen und weiteren Stoffen bearbeitet, Spuren gelegt über die Spuren der eigenen, stofflichen Geschichte des Segels – Metaphern für die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Handels und die unbegrenzte und doch auch „geerdete“Freiheit der Vögel. „Trade + Birds“bleibt jetzt ein Jahr lang vor Ort.
Anna Boghiguian ist, wie es sich für eine Reisende gehört, eine Geschichtenerzählerin. Sie legt Wert auf eine „kosmopolitische Kultur des Austauschs“. Eine solche Stimme ist heute nötiger denn je. Was jemand aus ihren Installationen mitnimmt – in Salzburg ist als größte eindrucksvoll, dicht, beziehungsreich „The Salt Traders“aufgebaut: Salz, Muscheln, Segel, Schiffsfragmente, Bilder und Collagen in Bienenwabenkästen als Zeichen für kolonialen Warenaustausch, der auch blutige Spuren hinterlässt –, ist ihr nicht so wichtig. Dennoch wird man sich der unmittelbaren Wirkung nicht entziehen können.
Auch die Zeichnungen, Malereien und vielfältigen Buchobjekte liefern kräftige Impulse, den eigenen Blick zugleich in die Ferne schweifen zu lassen und zu vertiefen. Es sind Erzählungen und Beobachtungen „des menschlichen Seins in einer globalisierten Welt“: stark und nachhaltig.