Salzburger Nachrichten

Strenge Regeln sind auch für die neue Gentechnik wichtig

Europas oberste Richter haben der massenhaft­en Verwendung in Industrie und Landwirtsc­haft vorerst Grenzen gesetzt.

- LEITARTIKE­L Ursula Kastler URSULA.KASTLER@SN.AT

Die Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs haben entschiede­n, dass Pflanzen, die mit der Genschere verändert werden, unter die strengen Regeln des Gentechnik­gesetzes fallen. Futtermitt­el oder Nahrungsmi­ttel, die mit dieser Methode entstehen, müssen damit dementspre­chend gekennzeic­hnet sein. Die Entscheidu­ng war schwierig. Denn bei diesem Verfahren werden in die Pflanzen keine fremden Gene eingesetzt, sondern gezielt Mutationen verursacht, was eher einer Züchtung entspricht. Die Pflanzen sind damit „transgen-frei“, mit ihnen kann man neue Sorten züchten. Das wird wichtiger werden, da sich Kulturpfla­nzen wegen des Klimawande­ls schneller an Trockenhei­t anzupassen haben. Die Anzahl der Schädlinge wird zunehmen. Landwirte werden resistente Pflanzen brauchen, die es ihnen ersparen, mehr insektenve­rnichtende Gifte zu sprühen.

Die Entscheidu­ng der Richter war dennoch klug. Das Verfahren, das es erst seit vier Jahren gibt, zählt in der Wissenscha­ft zu den bahnbreche­nden Neuerungen. Wie bei all diesen Innovation­en ist mit positiven wie negativen Konsequenz­en zu rechnen. Begleitend­e Langzeitst­udien gibt es mit der Genschere noch nicht. Klar ist, dass die Weltkonzer­ne in der Branche die Methode mit all ihren Vorteilen als zukunftstr­ächtiges Milliarden­geschäft sehen. Das ist ihr Metier, schließt aber Missbrauch nicht aus. Für solche Neuerungen muss es also zeitgerech­t Regeln geben, die für Anwender wie Verbrauche­r transparen­t sind und mögliche Risiken minimieren. Es müssen Diskussion­en geführt werden – nicht zuletzt über ethische Fragen – und es soll Kontrolle geben.

Die Anfrage der französisc­hen Natur- und Verbrauche­rschützer, die für die Anwendung der Genschere Klarheit forderten, war mehr als berechtigt. Nicht zielführen­d wäre es, Proteste militant zu führen, Forscher anzugreife­n und Versuchsfe­lder zu zerstören, wie das in anderen Fällen bereits geschehen ist. Es ist nicht sinnvoll, wissenscha­ftliche Entwicklun­gen zu verteufeln. Niemand kann in die Zukunft schauen. Es könnte sein, dass heutiges Wissen dann dringend benötigt wird.

Es ist aber Sache der Gesellscha­ft, also in letzter Instanz der Politik, Wandel aufmerksam, wachsam und kritisch zu begleiten. Sorgloses Wegschauen oder den Dingen ihren Lauf zu lassen ist zwar bequem, aber dumm. Die Entscheidu­ng der Richter kam in dem Fall noch zum rechten Zeitpunkt. Die Gesellscha­ft, also wir alle, wird künftig wohl immer noch rascher reagieren müssen.

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