Salzburger Nachrichten

Das politische Bravourstü­ck des Jean-Claude Juncker

Bis der Handelskon­flikt mit den USA beigelegt ist, ist noch viel zu tun. Aber der EU-Kommission­schef hat die Tür dazu aufgestoße­n.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

In den vergangene­n Tagen und Wochen schlug EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker viel Kritik entgegen. Er sei müde, habe seinen Zenit überschrit­ten, viele können seinen Abschied gar nicht erwarten. Doch am Mittwoch hat der alte Politfuchs seine Kritiker beschämt. Juncker stapelte tief, bevor er nach Washington fuhr, um einen Handelskri­eg mit den USA abzuwenden. Aber er verließ es mit einem Ergebnis, das niemand für möglich gehalten hatte.

Mit Juncker bekam US-Präsident Donald Trump Besuch von einem Mann, der nach eigener Aussage einen Deal machen wollte. Das ist genau nach dem Geschmack von Trump, er will auch als Präsident Geschäfte abschließe­n, wie er es früher als Immobilien­unternehme­r tat. „Deal or no deal“lautet seine Devise. Trump denkt in den Kategorien eines Geschäftsm­annes, der gern pokert. Da deckt man seine Karten nicht auf, man blufft, bringt seine Gegenspiel­er mit kleinen Tricks aus der Fassung – im Fall von Trump durch oft verstörend­e Aussagen oder gar Beleidigun­gen, die gegen jede diplomatis­che Usance verstoßen. Da brauchte es jemanden wie Juncker, den so ein Verhalten nicht einschücht­ert und schon gar nicht davon abhält, mit List und Geschick zu kontern.

Gemessen an der Ausgangsla­ge ist die Vereinbaru­ng, die Juncker und Trump am Mittwoch getroffen haben, ein sensatione­lles Ergebnis. Die USA und Europa waren von einer Eskalation ihres Handelsstr­eits nur einen kleinen Schritt entfernt. Diese Gefahr ist vorerst gebannt, und das ist eine gute Nachricht in einer Welt, die sich politisch als höchst fragil erweist.

Juncker hatte auch das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Trump genießt es, wenn seine Verhandlun­gspartner zu ihm kommen müssen. Und er war wegen seiner bisherigen Strategie in der Handelspol­itik erstmals stärker unter Druck. Wenn Trump etwas zum Einlenken bringt, dann nicht Drohungen seiner Gegner, die er überall in der Welt ortet, sondern die Gefahr, in der amerikanis­chen Öffentlich­keit als Verlierer dazustehen. Daher ist er bereit, mit Europa zu verhandeln. Wenn es die USA und die EU mit dem Abbau von Zöllen und anderen Handelshem­mnissen tatsächlic­h ernst meinen, kann das beiden Seiten nur nützen. Aber auf dem Weg zu einem Handelsver­trag warten noch viele Hürden, in den USA, aber auch in Europa, das sich vor allem bei Agrarprodu­kten stark gegen Importe abschottet.

Vorerst zählt, dass ein Anfang gemacht wurde, um das zerrüttete transatlan­tische Verhältnis zu normalisie­ren. Das ist sehr viel mehr, als man hoffen durfte.

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