Gemeinsam in Richtung Brexit
In Salzburg müssen Sebastian Kurz und die britische Regierungschefin Theresa May auch über ein unangenehmes Thema sprechen.
SALZBURG. „Die Kultur ist Türöffner für die Politik“, lautet eine alte diplomatische Weisheit. Zur Eröffnung der Salzburger Festspiele am heutigen Freitag werden wie jedes Jahr hochrangige Politiker erwartet. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Landeshauptmann Wilfried Haslauer begrüßen Portugals Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa. Auch die Regierungschefs Jüri Ratas aus Estland und Andrej Babiš aus Tschechien besuchen die Festspiele. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat als aktueller EU-Ratsvorsitzender die britische Regierungschefin Theresa May eingeladen, die jede Ablenkung vom Chaos rund um Großbritanniens EU-Austritt gebrauchen kann.
„Das Verhältnis zwischen Österreich und Großbritannien ist traditionell gut, weil die Briten Mitunterzeichner des österreichischen Staatsvertrags sind“, erklärt der Direktor der Diplomatischen Akademie, Emil Brix. Er vertrat zehn Jahre lang die Republik als Diplomat in London, vier Jahre davon als Botschafter. Die Wirtschaft verbindet laut dem langjährigen Diplomaten die beiden Länder ebenfalls. „Wobei österreichische Unternehmer in Großbritannien weit mehr Arbeitsplätze schaffen als umgekehrt“, so Brix. Es gibt aber auch Trennendes zwischen den beiden Staaten: „Die Briten sind bei der NATO, sie sind eine Atommacht und verwenden die Atomenergie“, erklärt der Diplomat.
Die Atomenergie wird wohl bei den Gesprächen zwischen Kurz und May ebenfalls Thema sein. Wenn auch nur am Rande. Das britische Atomkraftwerk Hinkley Point darf bekanntlich trotz österreichischen Widerstands gebaut werden. Der Europäische Gerichtshof hatte vor wenigen Wochen eine Klage Österreichs abgewiesen.
Schon vor dem Premierenbesuch der Mozart-Oper „Die Zauberflöte“geht es jedoch im Hotel Sacher zwischen den zwei Regierungschefs vor allem um das derzeit heikelste Thema auf EU-Ebene: den Brexit. Die Verhandlungen stecken fest, weil es nach wie vor keine Lösung für die Frage gibt, wie nach dem Austritt Großbritanniens eine Grenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden werden kann. Und die Vorschläge aus London, wie die künftigen Beziehungen mit der EU aussehen sollten, sorgen ebenso wie die britische Kabinettsumbildung in Brüssel eher für Verwirrung als Klarheit. EU-Chefverhandler Michel Barnier hat angeboten, quasi den ganzen Sommer weiterzuverhandeln, doch auch dazu hat sich der neue britische Brexit-Minister Dominic Raab bisher bedeckt gehalten. Manche vermuten Taktik dahinter: Der knappe Zeitplan bis zum Austritt Ende März 2019 macht die Mitgliedsstaaten zunehmend nervös – und vielleicht eher bereit zu Zugeständnissen, könnte das Kalkül in Downing Street sein.
Offiziell wird Kurz die harte EULinie gegenüber seiner Amtskollegin vertreten. Großbritannien könne sich nach dem Austritt nicht die Rosinen – wie etwa den Freihandel – herauspicken, so die offizielle Position der Union. Doch hinter den Kulissen wird auch die EU-Haltung zunehmend weich. Kurz hatte vor wenigen Wochen bei seinem Besuch in Dublin und London erklärt, dass man so lange verhandeln solle, bis man eine Lösung hat.
Dass das Treffen zwischen May und Kurz in Salzburg die Brexit-Verhandlungen maßgeblich beeinflussen wird, glaubt der erfahrene Diplomat Brix nicht. „Österreich hat im Zuge des EU-Ratsvorsitzes mit dem Brexit zu tun, aber man wird von den diplomatischen Sherpas dorthin getragen, die Verhandlungen laufen vor allem auf Expertenebene. Bei bilateralen Treffen werden noch einmal die Positionen ausgetauscht.“
Doch Salzburg könnte in den Brexit-Verhandlungen noch eine wichtige Rolle zukommen. Denn eigentlich sollte der „Scheidungsvertrag“zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bis Oktober fertig und die groben Linien für die künftigen Beziehungen fixiert sein. Aus Zeitnot müssen die EU-Staats- und Regierungschefs aber möglicherweise beim EU-Ratsgipfel am 20. September in Salzburg noch die offenen Fragen zum Brexit klären.
„Verhältnis zu Großbritannien ist traditionell gut.“ Emil Brix, ehemaliger Botschafter