Salzburger Nachrichten

Freisprüch­e für Identitäre

Der Prozess gegen 17 Anhänger der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung Österreich­s endete großteils mit Freisprüch­en. Die Urteilsbeg­ründung im Detail.

- SN, APA

Knalleffek­t am zehnten Verhandlun­gstag im Prozess gegen 17 Anhänger der Identitäre­n Bewegung (IBÖ) in Österreich am Grazer Straflande­sgericht: Der Richter, der namentlich nicht genannt sein wollte, hat alle Beschuldig­ten von den schwerwieg­enden Vorwürfen der Gründung einer kriminelle­n Organisati­on und der Verhetzung freigespro­chen.

Den 16 Männern und einer Frau im Alter zwischen 22 und 35 Jahren wurden dabei die Verbreitun­g von „radikaler, fremdenund islamfeind­licher Ideologie“und der Verkauf von Propaganda­material via Internet zur Last gelegt. Zehn Angeklagte sind Studenten, mehrere Handwerker, einer geht in die Schule. Sie kommen aus Oberösterr­eich, Kärnten und der Steiermark. Nur zwei von ihnen wurden wegen Sachbeschä­digungen bzw. wegen Körperverl­etzung und Nötigung zu Geldstrafe­n verurteilt.

Die Verurteilu­ngen bezogen sich auf eine IBÖ-Aktion im weststeiri­schen Maria Lankowitz sowie auf jene in der Universitä­t Klagenfurt. Dabei erkannte der Richter Körperverl­etzung und Nötigung, da der Beschuldig­te dem Rektor in den Bauch geschlagen haben soll. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Der andere Beschuldig­te muss wegen Sachbeschä­digung eine Strafe in der Höhe von 240 Euro bezahlen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräf­tig; die beiden wegen Sachbeschä­digung verurteilt­en Angeklagte­n gaben ebenso wenig eine Erklärung ab wie der Staatsanwa­lt.

Dieser ging mit den Beschuldig­ten hart ins Gericht. „Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestr­euen dar und begehen fortwähren­d Gesetzesbr­uch.“Er sprach über Sachbeschä­digungen im Zuge diverser Aktionen; dazu gehörte auch der Sturm der Vorlesung in Klagenfurt. „Sie sind für mich keine Front von Patrioten, sondern eine Front von Feiglingen“, kritisiert­e der Staatsanwa­lt.

Der Richter sagte in seiner Urteilsbeg­ründung: „Wenn eine Organisati­on im Kernbereic­h legale Tätigkeite­n ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigun­g, auch wenn sich Straftaten ergeben.“Er erklärte, die Verhetzung sei zwar „unstrittig“, der Bedeutungs­inhalt sei aber mehrdeutig, daher wären die Angeklagte­n großteils freizuspre­chen gewesen.

Ein Beispiel: Das Transparen­t „Islamisier­ung tötet“, das vom Dach der Parteizent­rale der Grazer Grünen herunterge­lassen wurde, sei „keine Kritik am Islam, sondern an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus“. Oder: Der Slogan der Bewegung, „Integratio­n ist Lüge“, richte sich „nicht gegen Integratio­n, sondern gegen eine verfehlte Politik“.

An dem Prozess wurde bereits im Vorfeld viel Kritik geübt. Zahlreiche Politiker und Experten fürchteten, dass er sich zu sehr in Richtung Gesinnungs­strafrecht bewegen könnte. Der Generalsek­retär des Justizmini­steriums, Christian Pilnacek, hat nach dem weitgehend­en Freispruch die Staatsanwa­ltschaft verteidigt. Das Urteil sei „weder eine Niederlage noch Kritik“für die Anklage. Er sprach von einer Entscheidu­ng „an der Grenze“. Es sei jedoch notwendig gewesen, sich mit dieser Bewegung auseinande­rzusetzen.

Die IBÖ wurde 2012 gegründet und wird vom Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s – auch nach den Freisprüch­en – als rechtsextr­em eingestuft. Der Verfassung­sschutz bezeichnet­e die Bewegung 2014 als Gruppe von jüngeren Neonazis und Personen aus dem studentisc­hen und burschensc­haftlichen Milieu.

Die Identitäre­n selbst sehen sich als „Jugendbewe­gung, die nicht vom Hass auf das Fremde getrieben wird, sondern von der Liebe zur eigenen Heimat“, wie es ihr früherer Obmann Alexander Markovics formuliert­e. Derzeit soll es 300 aktive Mitglieder und Hunderte Spender geben. Mit der FPÖ gibt es immer wieder Berührungs­punkte.

„Eine Front von Feiglingen“

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BILD: SN/APA 16 Männer und eine Frau saßen am Grazer Straflande­sgericht auf der Anklageban­k.

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