„Bodenfraß“– führend in Europa ist Österreich
Täglich werden vom Bodensee bis zum Neusiedler See, vom Waldviertel bis Südkärnten 12,9 Hektar Boden neu verbaut. Der Flächenverbrauch ist zwar in den vergangenen Jahren rückläufig, aber nach einhelliger Expertenmeinung zu hoch.
SALZBURG. Europameister – dieser Titel ist zumeist mit Ruhm, Applaus und Anerkennung verbunden. Nicht bei diesem brandaktuellen Thema: Nirgendwo in Europa schreitet der sogenannte „Bodenfraß“so rasch voran wie in der rotweiß-roten Alpenrepublik. Zugegeben: Das Wort erscheint hässlich, aber das Zupflastern der unverbauten Flächen ist evident – sowie durchaus mit einer nicht kontrollierten Geschwulst vergleichbar – und erweist sich auch in Österreich zunehmend als ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem.
Täglich wird eine Fläche von 20 Fußballfeldern verbaut
Das Umweltbundesamt präsentierte kürzlich die aktuellen Zahlen zum Bodenverbrauch. In den Jahren 2015 bis 2017 wurden in Österreich pro Tag durchschnittlich 12,9 Hektar Boden neu verbaut. Das entspricht einer Fläche von etwa 20 Fußballfeldern.
Im Jahr 2017 wurde pro Tag eine Fläche von 12,4 Hektar verbraucht. Davon wurden 5,7 Hektar für Bau- und Verkehrsflächen und fast genauso viel (5,5 Hektar) für Betriebsflächen beansprucht. 1,2 Hektar pro Tag wurden letztes Jahr für neue Erholungs- und Abbauflächen genutzt.
Erfreulich: Verglichen mit der Vorperiode (2014–2016) bedeuten die neuen Zahlen einen Rückgang um immerhin zwölf Prozent. „Der tägliche Bodenverbrauch in Österreich ist aber immer noch zu hoch. Wir müssen mit unseren Böden sorgsamer umgehen“, betont Karl Kienzl, Stellvertreter der Geschäftsführung im Umweltbundesamt.
Kurzfristig gut für Bauwirtschaft, schlecht für Siedlungsentwicklung
Bodenverbrauch und Bodenversiegelung in Österreich liegen somit nach wie vor auf hohem Niveau. Was sich für die Bauwirtschaft – die den landläufigen Begriff „Zubetonieren“naturgemäß nicht goutiert – kurzfristig positiv auswirkt, ist für eine nachhaltige Raumordnung von Nachteil, vor allem dann, wenn die Siedlungsentwicklung „auf der grünen Wiese“erfolgt: Die Anzahl brachliegender Gebäude nimmt kontinuierlich zu und Ortskerne veröden. Eine zerstreute Siedlungsstruktur erhöht die Aufwendungen der Gemeinden für Infrastruktur. Durch schnellere Straßenverbindungen wird einerseits die Mobilität verbessert, andererseits werden auch die Alltags- und Transportwege verlängert.
Um Böden nachhaltig zu nutzen, plädiert Kienzl für ein strategisches Flächenmanagement, das eine Veranke- rung der Bodenfunktionen in den entsprechenden Gesetzen vorsieht. Auch die Definition von sogenannten Vorrangflächen für die landwirtschaftliche Produktion, für Hochwasser-Rückhaltung und ökologisch wertvolle Gebiete seien wichtige Elemente. „Die Nutzung von brachliegenden Industrieund Gewerbeflächen sowie von ungenutzten Wohnflächen im Dorf oder in der Stadt soll zukünftig Vorrang vor Ansiedelungen auf der grünen Wiese haben“, so der Experte des Umweltbundesamtes.
Die Bevölkerung Österreichs ist im Zeitraum von 2001 bis 2017 um zehn Prozentpunkte gewachsen. Die versiegelte Fläche hat um 25 Prozentpunkte zugenommen. Wir nutzen also nicht nur deshalb mehr Platz, weil wir mehr Menschen geworden sind – wir breiten uns überproportional in die Fläche aus.
Ein Teil dieses Wachstums ist darauf zurückzuführen, dass der Wohlstand in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten derart zugenommen hat, dass sich immer mehr Leute leisten konnten, zum Beispiel Häuser zu bauen. Aber mehr Siedlungsraum braucht nicht nur mehr Platz, sondern auch längere Zubringerwege, also geht mehr Platz an Straßen verloren und so weiter. Gibt es einen Ausweg aus dem „Teufelskreis“? Fortsetzung nächsten Freitag