Sie rasen wie Qualtingers Wilder mit der Maschin’ Wer zu schnell läuft, kann leicht stolpern
Reformen in Österreich sind dringend notwendig. Das Tempo, das die Regierung dabei vorlegt, birgt aber auch Gefahren.
Hans Katschthaler war von 1989 bis 1996 Landeshauptmann von Salzburg. Er ist aus freien Stücken zurückgetreten, hat also die politische Gnade des vorletzten Tages erlebt, nämlich die absolute Selbstbestimmung des Abgangs. Katschthaler war ein besonnener, immer abwägender und daher auch sehr gerechter Politiker. Diese Qualität der weisen Langsamkeit ist ihm aber auch angekreidet worden. Franz Schausberger, sein Nachfolger, hatte es hingegen eilig. Ungeduldig peitschte er ein Projekt nach dem anderen durch, darunter das in diesen Tagen für die Salzburger Festspiele lebenswichtige Haus für Mozart, das Museum auf dem Mönchsberg, das Fußballstadion in Kleßheim, die Privatmedizinische Universität. Er war, im Nachhinein betrachtet, einer der aktivsten Landeshauptleute. Und dennoch wurde er im April 2004 abgewählt. Er sei wohl in einigen Fragen zu schnell unterwegs gewesen und habe es verabsäumt, die Menschen rechtzeitig auf den Weg der Erneuerung mitzunehmen, sagte Schausberger später einmal selbstkritisch.
Eile mit Weile, sagt ein Sprichwort und meint, man solle die Dinge in gebotener Geschwindigkeit angehen und umsetzen, dabei aber nichts überstürzen. Die österreichische Bundesregierung hält von dieser Leitlinie nicht viel. Sie setzt so sehr auf ein atemberaubendes Tempo, dass ihr schon bald die Luft für weitere Reformen wegbleiben könnte.
Wir haben zu Recht den Stillstand in Österreich unter großen Koalitionen beklagt und die sozialpartnerschaftlichen Beharrungsrituale kritisiert. Über Jahrzehnte hinweg hat sich ein gewaltiger Reformstau entwickelt, den aufzulösen Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache angetreten sind. Dass sie dabei auf den Widerstand eingerosteter Systeme stoßen würden, war absehbar. Und dass es manchmal auch der Spitzhacke bedarf, um einen systemrelevanten Betonblock zu sprengen, ist klar. Die in vielen Fragen an den Tag gelegte Hast hat mit der gebotenen Geschwindigkeit aber nicht mehr viel zu tun. Man hat den Eindruck, als sprudle die Regierung vor allem deshalb permanent neue Aufregerthemen hervor, weil sie glaubt, damit die politische Agenda bestimmen zu können. Vom Reagieren ins Agieren kommen empfiehlt jedes kleine politische Einmaleins. Beständig gewachsene Lethargie soll in spontane Euphorie umgewandelt werden. Die Regierung ist auf dem SpeedTrip, es gibt keine Pausen. Selbst in seiner Auszeit ist der Kanzler zwischen den USA und heimischen Almhütten im Einsatz.
Wer zu schnell läuft, kann leicht stolpern. Das neue Arbeitszeitgesetz, die Vereinheitlichung der Mindestsicherung, die Finanzierung der Mehrkosten aus der Abschaffung des Pflegeregresses und die Reform der Sozialversicherung sind Beispiele dafür. Sachlich begründbare und längst notwendige Veränderungen geraten wegen der Art der Durchführung in Diskussion. Hudlerei bringt zudem Schlamperei. Es passieren fachliche Fehler.
Früher sind nötige Maßnahmen zerredet worden. Heute wird gar nicht mehr geredet. Beides ist schlecht. Es wäre bei der Arbeitszeitregelung ein Leichtes gewesen, die politischen Gegner und die Sozialpartner einzubinden. Sie haben selbst ähnliche Änderungen vorgeschlagen. Die Chance zum Konsens wurde verspielt.
Die Gefahr von kontraproduktiver Tempobolzerei durch die Regierung droht jetzt auch bei der neuen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Reformminister Josef Moser ist vorgeprescht und hat die Landeshauptleute erschreckt. Er will sie in Zukunft bei der Schließung von Bezirksgerichten nicht mehr mitreden lassen. Das Ansinnen ist berechtigt. So wie die Frage, warum die Länder bei der Besetzung des Militärkommandanten oder des ORF-Landesdirektors um Erlaubnis gebeten werden müssen. Doch es geht hier nicht um das Was, sondern um das Wie. Eine Bundesstaatsreform kann die Wiener Regierung nur auf Augenhöhe mit den Ländern verhandeln. Die haben immerhin die Republik gegründet.
Es ist Zeit für die Bundesregierung, runter vom Gas zu gehen und einmal genau zu schauen, wohin die Reise mittlerweile führt. Ansonsten kann es ihr wie Helmut Qualtingers Halbwildem mit der Maschin’ ergehen: „Ich hab zwar ka Ahnung, wo ich hinfahr, aber dafür bin ich g’schwinder dort!“