SPÖ-Chef Christian Kern übt scharfe Kritik an der Regierung, macht aber gleichzeitig ein überraschendes Angebot.
Christian Kern übt scharfe Kritik am Stil der Koalition, macht ÖVP und FPÖ aber ein überraschendes Angebot.
Die SPÖ sei absolut dazu bereit, konstruktiv mit der Regierung zusammenzuarbeiten, sagte Parteichef Christian Kern am Freitag in einer seiner seltenen Pressekonferenzen. „Es hat keinen Sinn, einen Dauerwahlkampf zu führen“, so der Exkanzler. „Unsere Bereitschaft, uns konstruktiv einzubringen, ist da. Wir sind nicht beleidigt.“
Kern verwies auf die Zweidrittelmehrheit, die die Regierung für etliche ihrer Vorhaben benötigt und die im Bundesrat ohne Zustimmung der SPÖ nicht zu erzielen ist. Dies gilt vor allem für die von der Koalition geplante Verlagerung von Kompetenzen von den Ländern zum Bund. Der SPÖ-Chef sagte zu, sich mit den diesbezüglichen Plänen der Regierung ernsthaft zu befassen, wenn sie endlich vorgelegt würden.
Grundsätzlich richtete Kern an die Regierungsparteien das Angebot: „Wir sind bereit, die sieben Monate (gemeint: die Phase seit dem Antritt der Regierung, Anm.) zu beenden und zu sagen: Lernen wir aus den gemachten Fehlern und schauen gemeinsam nach vorne.“
Der Beschreibung der Fehler der Regierung widmete Kern bei seinem Auftritt vor der Presse breiten Raum: Er ortete einen Umbau Österreichs in die falsche Richtung, eine Abkehr vom österreichischen Weg und eine Sprache, die auf Spaltung und Feindbilder setze. Permanent würden staatstragende Institutionen desavouiert: der EU-Kommissionspräsident, der Bundespräsident, das Parlament, der Verfassungsschutz, die Sozialpartner, die Medien.
„Was ist der Endpunkt dieser Entwicklung?“, fragte der SPÖ-Vorsitzende. Der Grundkonsens der Zweiten Republik werde zerstört. Die Hoffnung, die FPÖ würde durch die Regierungsbeteiligung eine Läuterung und Mäßigung erfahren, sei nicht erfüllt worden, ganz im Gegenteil. Permanent erhöhe die FPÖ die Dosis an Zuspitzung und Ausgrenzung, kritisierte Kern. Auch die SPÖ sei für Veränderungen, versicherte er. Aber die Frage sei, in welchem Tempo und in welcher Schärfe man vorgehe.
Kritik am Oppositionskurs der SPÖ wies Kern zurück. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte ja – was sehr ungewöhnlich war – die Oppositionsparteien aufgefordert, in der Auseinandersetzung mit der Regierung aktiver zu werden. Kern sagte dazu, er beteilige sich nicht an „Haltungsnoten-Debatten“, und schilderte sein Dilemma: „Wenn wir sehr kritisch sind, heißt es: Die SPÖ ist beleidigt und der Kern ganz besonders. Wenn wir uns zurückhaltend äußern, heißt es: Wo ist die Opposition?“
Kern erinnerte auch an die letzte Oppositionsphase seiner Partei in den Jahren 2000 bis 2007: „Damals hat man uns auch sechseinhalb Jahre nachgesagt, die SPÖ sei völlig unfähig als Oppositionspartei. Aber im siebenten Jahr haben wir dann die Wahl gewonnen.“
„Wenn wir kritisch sind, heißt es: Die SPÖ ist beleidigt.“