KTM gibt Gas: „Das Fahrrad revolutioniert von unten her die Elektromobilität“, sagt KTM-Chef Stefan Pierer und erklärt wie.
„Das Fahrrad revolutioniert von unten her die Elektromobilität“, sagt KTM-Chef Stefan Pierer.
SALZBURG. Alle reden von E-Mobilität beim Auto. Stefan Pierer, Chef von Europas größtem Motorradhersteller KTM, ist davon nicht überzeugt. Doch er ist sicher, dass „das Fahrrad die E-Mobilität von unten her revolutionieren“wird. In zwei Jahren wird KTM nach dem Elektrogeländemotorrad daher auch Elektrofahrzeuge in der Mofa-, Mopedund Rollerklasse auf den Markt bringen und im Gegensatz zu den Autoherstellern damit Geld verdienen, wie Pierer sagt. Bei den Elektrofahrrädern der Marke Husqvarna tut man das bereits. Nicht ohne Pikanterie ist, dass Pierer vor 27 Jahren die Markenrechte für KTMFahrräder abgegeben hat. SN: Es gibt einen Hype um E-Autos. Gibt es den Elektrohype auch beim Zweirad? Stefan Pierer: Wir sind der Pionier bei Elektromobilität für Zweiräder. Bei uns ist das nicht aus der Idee entstanden, die Welt retten zu wollen, sondern aus dem Druck heraus, dass man mit einem Geländesportmotorrad in Zentraleuropa fast nirgends mehr fahren kann. Als sich vor 15 Jahren die Mountainbike-Szene so richtig entwickelt hat, haben wir gesagt, wir machen ein elektrisch motorisiertes Mountainbike. Wir haben ein sehr gutes Gelände-Elektro-Motorrad entwi- ckelt, das seit vier Jahren auf dem Markt ist. Wir haben also sehr viel Erfahrung, was Elektromobilität beim Zweirad bedeutet. Ich bin überzeugt, dass die Elektromobilität in der nächsten Dekade die bisherige Mobilität ersetzen wird: auf der kurzen Strecke und bei leichten Fahrzeugen, also in der Stadt, und vom Fahrrad bis zur alten Moped-, Mofa- und Rollerklasse bis 50 Kubikzentimeter. SN: Beim E-Auto legen die Hersteller drauf. Machen Sie auch Verluste bei den Elektrozweirädern? Ich verliere mittlerweile kein Geld mehr, aber ich verdiene auch noch keines. Aber es wird besser. In der nächsten Dekade kann es sein, dass sich bestimmte Batterietechnologien so entwickeln, dass auch bei Autos eine Marge entsteht, aber in den nächsten fünf Jahren sehe ich das nicht. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, dass beim E-Zweirad eine riesige Menge entstehen wird. Beim Elektrofahrrad passiert das ja bereits. Darum sind wir letztes Jahr mit unserer Zweitmarke Husqvarna ins E-Fahrrad-Geschäft eingestiegen und verkaufen heuer bereits 40.000 Elektrobikes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im letzten Jahr sind in diesen drei Ländern eine Million E-Bikes verkauft worden. Diese Entwicklung wird sich von diesen Zentralländern über die ganze Welt ziehen. Und wir wollen mit Husqvarna eine globale E-Bike-Marke kreieren. SN: Warum sind Sie bei Elektroautos so skeptisch? Bei der Elektromobilität redet jeder wie der Blinde von der Farbe. 75 Prozent des Weltprimärenergiebedarfs kommen aus fossilen Brennstoffen. Energie, die dann über ineffiziente Powergrid-Leitungen in eine Lithium-Ionen-Batterie gesteckt wird. Die wiederum in der Herstellung wegen der Rohstoffe in erster Linie von China dominiert wird. Es gibt fünf Hersteller aus China, Japan, Korea, die den Kunden sagen, ob sie Batteriezellen bekommen oder nicht und zu welchem Preis. SN: Sie bekommen genug Batteriezellen? Ja, weil wir seit zehn Jahren als einer der Pioniere mit Sony/Murata zusammenarbeiten. Die Leistung der Zelle hat sich innerhalb von sieben Jahren verdoppelt. Die Herstellung eines Batteriepackages für ein E-Auto der Klasse eines BMW i3 entspricht einem CO2-Fußabdruck von 50.000 Kilometern eines Autos mit Verbrennungsmotor. Wir in Österreich haben mit unserer Wasserkraft übrigens eine gute Voraussetzung für E-Mobilität. Doch es gibt viel Fehlkommunikation. Wenn du heute kritisch über den sinnvollen Einsatz von E-Mobilität sprichst, wirst du beinahe als politisch rechts außen stehend beschimpft. SN: Experten sagen, die Autoindustrie habe schon so viel Geld in die Elektromobilität gesteckt, dass es kein Zurück mehr geben könne. Stimmen Sie dem zu? Ich bin überzeugt, dass wir beim Elektrozweirad sehr rasch in eine Gewinnzone kommen. Beim EFahrrad verdienen wir schon gutes Geld. Wir werden hier nächstes Jahr 80.000 bis 100.000 E-Fahrräder verkaufen. Wir machen derzeit mit E-Fahrzeugen zehn Millionen Euro Umsatz von insgesamt 1,6 Milliarden. In zehn Jahren werden wir 300 bis 400 Millionen Euro mit E-Mobilität umsetzen. Die E-Mobilität lässt sich nicht aufhalten, wird sich aber zurückziehen in die Nische, in der sie wirtschaftlich und sinnvoll ist. SN: Sie werden 2019 ein Elektro-Minimotocross für Kinder bringen. Warum? Kinder fahren kurze Strecken, die Eltern sind froh, wenn sie keinen Lärm machen, und ich kann mit dem E-Minimotocross das Kind an das Thema Fahrfähigkeiten heranführen. Das steht für Sicherheit. SN: Wann werden Sie E-Fahrzeuge in der Moped-, Mofaund Rollerklasse auf den Markt bringen? In den nächsten zwei Jahren werden wir drei bis vier Produkte auf den Markt bringen, die bei 48 Volt und drei Kilowatt aufhören. Diese Fahrzeuge sind leise, stinken nicht und wenn man später nach Hause kommt, hört einen keiner. Das klassische ländliche Zweitaktmoped ist ideal dafür, durch E-Fahrzeuge ersetzt zu werden. Damit wird die künftige Jugend schon früh an EMobilität herangeführt. SN: Sie haben bereits 25 Millionen Euro in die E-Mobilität investiert. Was kommt da noch? Wir bauen in Anif bei Kiska ein Elektromobilitätszentrum für unsere Marken, Kiska und das Prototyping (siehe Lokalteil dieser Ausgabe). Wir arbeiten auch für deutsche Unternehmen und sind beim Thema E-Mobilität für Leichtgewichtsfahrzeuge und Zweirad weltweit führend. In Anif arbeiten wir Aufträge in der Voraus- und Konzeptentwicklung für China und Vietnam ab. Das hier ist das europäische Zweirad-ElektromobilitätsZentrum, das wissen die wenigsten.