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Glanz, Gloria und Sicherheitskräfte bestimmten das Vorspiel zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. 1500 geladene Gäste wurden dabei von Zaungästen bewundert, beneidet – aber auch kommentiert.
Mozartplatz 1. Das ist eine gute Adresse, wenn man sich zur Eröffnung der Salzburger Festspiele trifft. In 30 Minuten kommt der Bundespräsident. Jetzt aber trifft eine rüstige Dame in Begleitung ihres Sohnes auf der Terrasse der Espresso-Bar „Mozarts“ein und deutet zackig auf die Politiker. Die schauen etwas verwirrt zurück.
„I seg nix. I seg nix“, schimpft sie. Ihrem Sohn ist das jetzt ein bisserl peinlich. „Entschuldigen Sie“, sagt er, „aber die Mama sitzt hier jeden Freitag, um die Aussicht auf den Dom und die Residenz zu genießen.“Ein paar Politiker rücken betreten zur Seite. Es ist ein schöner Anblick, wenn die Macht auch in der Praxis vom Volk ausgeht.
Hinter der Absperrung sammeln sich die Zaungäste. „Die Militärmusi kummt glei“, sagt einer. Dann marschiert sie auch schon unüberhörbar ein. „Guat spün s’“, sagt ein anderer. „Warum ham die grüne Kappl auf?“, fragt der nächste. „Weil glei der Van der Bellen kummt.“Allgemeines Gelächter.
Aus der Bundes- und Landesregierung hat sich schon ein Großteil der Crème de la Crème versammelt. Die Fotografen stellen die Politiker in Grüppchen zusammen. „Nimmst du an Blitz?“, fragt einer. „Schwierig“, sagt ein anderer. „Schatten, hell, Schatten, hell“, sinniert der nächste. „Wer blitzt, verliert“, sagt ein vierter Fotograf und legt los. Man könnte meinen, sie haben die bisherige Arbeit der Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ kommentiert. Von der zuletzt genannten Partei war übrigens niemand zu sehen. Meteorologisch betrachtet bilden die anwesenden Politiker heute eindeutig ein Schattenkabinett. Weil sie selbigen auf der Café-Terrasse genießen können.
Die rüstige Dame schaut streng Richtung Residenz und sagt: „Oam sans – die Buam.“Gemeint sind die Militärmusik und die Rekruten, die schon 20 Minuten in der prallen Sonne stehen. Außer dem Militär ist heute natürlich auch eine ordentliche Menge Polizisten vorhanden. Auch Spezialeinheiten mit noch nie gesehenen Uniformen sollen wohl zusätzlich ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. „Obacht. Los geht’s“, ruft einer von ihnen. Da kommt auch das erste Motorrad mit Blaulicht daher. Kurz dahinter ein zweites, gefolgt von dunklen Limousinen, aus denen unauffällig Männer in dunklen Anzügen und mit schwarzen Sonnenbrillen hüpfen. Alle haben ein Kabel im Ohr, das einige Zaungäste sofort als Kabel ihres alten Wählscheibentelefons identifizieren. An diesem Beispiel lässt sich leicht das Durchschnittsalter der Zaungäste errechnen. Der Bundespräsident steigt aus. Applaus. „Das war aber verhaltener Applaus“, merkt ein Spielverderber an. Er akzeptiert aber den Einwand seines Nachbarn. Der sagt: „Dafür, dass er nur aus dem Auto stieg, war der Applaus ordentlich. Ich hab’ schon für weit mehr Leistung viel weniger Applaus gekriegt.“Das Ereignis beginnt jetzt staatstragend zu werden. Unser Bundespräsident versteht sich prächtig mit seinem portugiesischen Amtskollegen Marcelo Rebelo de Sousa. Rebelo! Was für ein Name! Das klingt nach Rebell. Man hat Angst, den Namen laut auszusprechen, weil so viel Sicherheitskräfte da sind. Auch die Formulierung „1500 geladene Gäste“klingt da ganz schön doppeldeutig. Die Militärmusik gibt jetzt ihr Bestes, während die Würdenträger das Spalier abschreiten. Jetzt wird das Protokoll schnell durchgepeitscht. Was daran liegen könnte, dass jetzt alle in der prallen Sonne sind.
Auf dem Weg zur Felsenreitschule fällt auf, dass etwa 20 Polizeiautos im Schatten des Doms geparkt sind. Weit und breit kein Fiaker. Die Vermutung wird geäußert, dass deren Pferde womöglich gerade vom Bundesinnenminister Herbert Kickl gecastet werden. Und dass die Touristen dafür in Polizeiautos durch die Stadt kutschiert werden.
Beim Wort „Tourist“zuckt ein Beamter zusammen. Er dürfte „Terrorist“verstanden haben. In der Felsenreitschule ist der normal geladene Gast dann schwer beeindruckt. So viel Politik und Prominenz ist selten anzutreffen. Zwischen all den Esterházys, Porsches, Präsidenten und Bundesministern treffen wir auch Josef Koller. Er war von 1994 bis 2001 Vorstand des Kuratoriums der Salzburger Festspiele. Koller ist 91 Jahre alt. Er hörte den Reden aufmerksam zu und stand auch immer brav halbwegs zackig auf, wenn die Hymnen abgespielt wurden. Die Bemerkung, dass dieses Fest zur Eröffnung fast wie ein Gottesdienst gewirkt habe, quittiert er mit einem Lächeln: „Des Tamtam is a Überbleibsel von der Monarchie“, sagt er. Und dass er mit seinen 91 Jahren eben nicht mehr so schnell aufstehen könne.
Und das sei echt blöd. „Donn seg i jo nix mehr.“ Weil: