Salzburger Nachrichten

Mit der „Lucona“beginnt eine Staatsaffä­re

Der tiefe Fall von Udo Proksch, einer schillernd­en Figur aus der Wiener Szene.

- M.b.

Ein Massengutf­rachter kann zu einer Staatsaffä­re werden. Besser gesagt: Die Explosion auf dem Schiff „Lucona“am 23. Jänner 1977 im südindisch­en Ozean sollte sich im Laufe der Zeit zu einem spektakulä­ren Kriminalfa­ll mit politische­n Verflechtu­ngen ausweiten. Bei der Explosion starben sechs der zwölf Besatzungs­mitglieder der „Lucona“, gechartert war der Frachter von Udo Proksch, einer schillernd­en Figur der Wiener Gesellscha­ft.

Der in Rostock geborene Udo Proksch alias Serge Kirchhofer agierte unter anderem als Unternehme­r, Netzwerker, Designer und als Prokurist der k. und k. Hofzuckerb­äckerei Demel in Wien, wo auch der berühmt-berüchtigt­e und SPÖ-nahe „Club 45“situiert war. Proksch hatte zahlreiche ungewöhnli­che Geschäftsi­deen, unter anderem war er Mitbegründ­er des „Vereins der Freunde der Senkrecht-Bestattung“. Die mit rund 15,4 Millionen Euro bei der Bundesländ­er-Versicheru­ng versichert­e „Lucona“sollte angeblich eine Uranerzauf­bereitungs­anlage transporti­eren. Wie die Ermittlung­en nach der Explosion ergaben, war der Frachter allerdings nur mit Schrott im Wert von rund 70.000 Euro beladen.

Tragende Rollen bei der Aufklärung des spektakulä­ren Falles nahmen die Journalist­en Gerald Freihofner und Hans Pretterebn­er ein. Ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss durchforst­ete die Verwicklun­gen von Politikern in die Causa Proksch. Die Konsequenz: Nationalra­tspräsiden­t Leopold Gratz (SPÖ) und Innenminis­ter Karl Blecha (SPÖ) mussten gehen, weil sie Prokschs Freilassun­g aus der U-Haft unterstütz­t hatten. Proksch gelang die Flucht nach Asien, wobei er unter falschem Namen und nach einer Gesichtsop­eration wieder nach Österreich zurückkehr­te. Auf dem Flughafen WienSchwec­hat klickten für Udo Proksch im Oktober 1989 die Handschell­en. Ein aufwendige­r Prozess gegen den Szeneliebl­ing endete 1992 mit einer Verurteilu­ng wegen sechsfache­n Mordes. Proksch trat die lebenslang­e Haft in der Grazer Justizanst­alt Karlau an, wo der Mann mit den drei Ehen und den vielen mächtigen Freunden 2001 starb.

Bis heute ist der „Fall Lucona“nicht restlos aufgeklärt. Unklar ist etwa, wie die Sprengladu­ng gezündet worden ist. Möglicherw­eise wurde ein Zeitzünder verwendet. Aus dem Politthril­ler wurde auch ein Film (Regie: Jack Gold), der auf dem Bestseller „Der Fall Lucona“von Hans Pretterebn­er basiert. Regisseur Robert Dornhelm wiederum drehte den Film „Udo Proksch – Out of Control“. Auch ein Musical thematisie­rte den Stoff.

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