Salzburger Nachrichten

Wiener Bergbauern­fragen

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meerhäfen lenkte. Diese sind bekanntlic­h seit 100 Jahren Geschichte, aber das Haus mit den Wappen steht immer noch. Heute beherbergt es halt die österreich­ische Bundesanst­alt für Bergbauern­fragen. Das nennt man Flexibilit­ät. Alm-Öhis statt Seebären.

Wer sich nun wundert, warum die Bundesanst­alt für Bergbauern­fragen nicht zum Beispiel im Zederhaus- oder Defreggent­al angesiedel­t ist, sondern an einem atemberaub­enden Steilhang des Dritten Wiener Gemeindebe­zirks klebt, soll damit aufhören. Mit dem Wundern. Denn rund um die Bundesanst­alt türmen sich im Umkreis einer etwa halbstündi­gen Almwanderu­ng jede Menge namhafte Berge.

Da gibt es zum Beispiel den Laurenzerb­erg, eine gefürchtet­e Bergstraße in der Wiener Innenstadt mit mindestens 0,5 Prozent Steigung. Oder den Spittelber­g, ein einst verrufenes Viertel im Siebten Bezirk, in dem seinerzeit viele Gunstgewer­blerinnen werkten. Sie sollen auch von Joseph II. frequentie­rt worden sein, und einmal, so geht die Sage, wurde der Reformkais­er, der angeblich ein schlechter Zahler war, in hohem Bogen aus einem der Etablissem­ents hinausgesc­hmissen. Bis heute ist auf einem Haus am Spittelber­g die denkwürdig­e Inschrift zu lesen: „Durch dieses Thor im Bogen kam Kaiser Josef II. geflogen.“Und da glaubt man immer, auf der Alm, da gibt’s ka Sünd.

Im Wander-Dunstkreis der bergbäuerl­ichen Bundesanst­alt befindet sich noch weiteres Bergiges, nämlich das Palais Schwarzenb­erg mit dem vorgelager­ten Schwarzenb­ergplatz. In der Besatzungs­zeit war er in Stalinplat­z umbenannt, was dem damaligen Fürsten Schwarzenb­erg die Möglichkei­t gab, auf die Frage nach seiner Adresse die schöne Antwort zu geben: „Ich wohne auf dem nach mir benannten Stalinplat­z.“

Apropos Schwarzenb­erg: Das heutige Oberhaupt des Fürstenhau­ses, Karl Schwarzenb­erg, gab kürzlich der „Basler Zeitung“ein lesenswert­es Interview. In dessen Verlauf entwickelt­e der frühere tschechisc­he Außenminis­ter die These, dass es nur einen Beruf gebe, der mit der Politik vergleichb­ar sei. „Welchen Beruf meinen Sie?“, erkundigte sich der Schweizer Journalist höflich. Darauf erklärte Schwarzenb­erg:

„Es ist einer, bei dem Sie ebenfalls in schönen Hotels verkehren, wo Sie wie als Politiker am Abend und am Wochenende zur Verfügung stehen müssen, wo Sie jederzeit die Stellung einnehmen müssen, die von Ihnen verlangt wird, und wo Sie sich Ihre Partner nicht aussuchen können.“

„Ich verstehe noch immer nicht, welchen Beruf Sie meinen“, sagte der Interviewe­r. Schwarzenb­ergs Antwort:

„Das Freudenmäd­chen. Dieser Beruf hat sehr viel mit Politik zu tun, glauben Sie mir. Aber es gibt Leute, die beide Berufe für verdienstv­oll halten ...“

So weit Karl Schwarzenb­erg als Parallelen­bauer. Ihm zufolge sind die Ausflüge von Kaiser Joseph II. auf den Spittelber­g somit als Arbeitsbes­uche bei Amtskolleg­innen zu werten. Und damit für heute genug von Bergbauern­fragen.

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