Es wird brenzlig
Hitzewellen werden immer häufiger. Warum Wetterphänomene mit den Emissionen unseres Wirtschaftsmodells zu tun haben.
Eine beispiellose Hitzewelle fordert in Japan bereits rund 80 Tote. Zuvor gab es sintflutartige Regenfälle, bei denen mehr als 220 Menschen starben. In Schweden brennen die Wälder. Nordirland kämpft mit Wassermangel. Im Frühjahr stöhnte Kanada unter einer Rekordhitze. Sind das die Vorboten der Zukunft? Die SN fragten Michael Hofstädter, Leiter der Fachabteilung Klimasystem bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geophysik in Wien.
Hitzewellen und große Trockenheit suchen die Erde heim. Ist das eine Folge des Klimawandels oder sind es einfach nur Wetterphänomene?
SN: Hofstädter: Hitzewellen sind grundsätzlich Wetterphänomene, die zufällig auftreten, sich aber auch selbst verstärken können. Das Ganze passiert jedoch vor dem globalen Temperaturanstieg. Auf diesem höheren Niveau wirken sich Hitzewellen natürlich stärker aus. Sie werden extremer.
SN: Werden sie auch länger?
Die sommerlichen Hitzeperioden werden auf jeden Fall länger werden – und zwar deshalb, weil bei einem höheren Temperaturniveau die Verdunstung massiv angetrieben wird. Die Böden werden immer trockener, die Hitze bleibt immer länger.
SN: Das ist also selbstverstärkend.
Ja, das ist ein sich selbst verstärkender Feedback-Mechanismus, der vor allem im Sommer sehr wirksam ist.
Es scheint, dass Wetterlagen, die man ja kennt, viel länger bleiben als früher. Stimmt das?
SN: Es ist tatsächlich so, dass sich Wetterlagen und Zirkulationen etwa ab dem Jahr 2000 umzustellen begonnen haben. Wir haben nun Wetterlagen, die sich über viele Wochen, zum Teil auch Monate, wiederholen und zum Teil auch regenerieren.
SN: Warum ist das so?
Es fehlt die starke Polarfront und damit der Wettereinfluss vom Atlantik. Dieser Einfluss war besonders Ende der 1980er und Anfang der 1990er noch sehr stark: Er brachte bei uns rasche Wetterwechsel, viel Wind, durchziehende Fronten.
SN: Was hat unsere Wetterküche derart durcheinandergebracht?
Es gibt zwei Erklärungen. Wir wissen aus der Beobachtung, dass extreme und stationäre Wetterlagen begünstigt werden, wenn die Ozeane sehr warm sind. Und genau das erleben wir seit nun rund 15 Jahren. So eine Phase wiederholt sich ganz natürlich etwa alle 60 Jahre. So gab es in den 1860ern eine Phase, in der es zunächst zehn Jahre sehr trocken war, später kamen dann wieder sehr wechselhafte und feuchte Jahre. Das wird stark vom Atlantik beeinflusst.
SN: Und der zweite Grund?
Das ist der Klimawandel. Durch ihn erwärmt sich die Luftmasse über dem Nordpol stärker als in unseren Breiten. Dadurch wird die Polarfront weiter abgeschwächt. Selbst wenn wir wieder in eine atlantische Phase mit einer starken Polarfront zurückrutschen sollten, wird das Wetterregime langfristig doch eher so bleiben wie jetzt. SN:
Das heißt, dass Wetterlagen stecken bleiben.
Das Wetter wird lokal bestimmt: So, wie sich in Europa der Sommer einpendelt, wird er dann bleiben. Wenn er sehr feucht beginnt oder sehr nass, verstärken sich diese Tendenzen und das Wetter bleibt stecken. Wir werden in den nächsten 30 bis 100 Jahren immer deutlicher sehen, dass diese Wettercharaktere überhandnehmen.
SN: Was bedeutet das für die zukünftigen Winter?
Der Winter funktioniert ganz anders. Er ist immer noch stark getrieben vom Atlantik, weil sich in der Polarnacht ein starker Temperaturkontrast zwischen Nordpol und südlicheren Regionen bildet. Das wird trotz Klimawandel noch lange so bleiben. Eher markant ist im Winter, dass auch in dieser Jahreszeit das Temperaturniveau allmählich steigt. Damit verkürzt sich im Allgemeinen die Schneedeckendauer.
Gibt es irgendwelche Zweifel daran, dass die Klimaerwärmung anthropogen ist, also vom Menschen verursacht? Es gibt keine Zweifel daran. Aber für das Ausmaß ist nicht zu hundert Prozent der Mensch verantwortlich. Der bisherige Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius ist etwa zur Hälfte durch die Treibhausgase verursacht, die andere Hälfte dürfte eine zufällige Variation im Klimasystem sein, ausgehend vom Atlantik.
SN: SN: Wo stehen wir denn erdgeschichtlich betrachtet?
In einer Zwischenwarmzeit. Wir sind in einer großen Eiszeit, die zwischenzeitlich wärmer ist. Der Höhepunkt war vor etwa 12.000 Jahren. Seit ungefähr 10.000 Jahren befinden wir uns in einer Abkühlungsphase. Jetzt ist es um etwa zwei Grad kühler als vor 10.000 Jahren.
Wenn es auf der Erde also um zwei Grad wärmer wird, hatten wir das schon einmal.
SN: Das waren aber ganz andere Lebensbedingungen. Damals war vor allem der Mittelmeerraum feuchter, jetzt verlagert sich alles in den Norden. Die Wüste rückt an das Mittelmeer. Vor 10.000 Jahren hatten wir ein anderes Klima, auch wenn es wärmer war.
SN: Kann man vorhersagen, wie sich das weiter entwickeln wird?
Grundsätzlich hat sich das Klima immer verändert. Wir denken in höchstens zwei, drei Generationen. Was vorher war, ist vergessen. Das Klima war immer anders. Es geht darum, sich den Veränderungen anzupassen und die sind im Moment stark.
Wegen des Einflusses der Menschheit?
SN: Ja, das eine Grad plus in den vergangenen hundert Jahren ist sehr viel und wenn dann – wie jetzt – ein zufälliges Schwanken dazukommt und noch ein halbes oder ein Grad dazulegt, kommt eine große Veränderung in Gang. Aber das Klima ist nicht konstant. Das war es nie. Das haben wir in den 1970er-, 1980er-Jahren noch geglaubt. Es geht eindeutig in eine wärmere Richtung.
Und der anthropogene Anteil beschleunigt die Sache?
SN: Ja, das geht jetzt sehr schnell. In den 1990er-Jahren hat man begonnen, über den Klimawandel zu diskutieren, das heißt: Es sind 30 Jahre vergangen, und nach den nächsten 30 Jahren, ab Mitte des Jahrhunderts, werden wir sehr stark spüren, was los ist. Denn die anthropogene Erhöhung bleibt ja stehen, die ist in Stein gemeißelt, und sie geht in den nächsten Jahrzehnten noch weiter. Wir können das höchstens bremsen.
SN: Sie sagen, dass der Klimawandel erst in einigen Jahrzehnten brenzlig wird. Dann sind jetzt 20-Jährige 50 oder 60 Jahre alt. Das ist nicht weit weg.
Das meine ich ja: 30 Jahre sind schnell um. Was wir jetzt tun, wirkt sich nur langsam aus. Die Umstellung unserer Energie- und Ressourcennutzung dauert eine, zwei oder drei Generationen. Bis diese Maßnahmen wirklich greifen, braucht es 10 bis 40 Jahre, und bis sich das im Klimasystem bemerkbar macht, vergehen weitere 30 bis 50 Jahre.
Muss man jetzt den Kopf hängen lassen?
SN: Nein, ich denke, es ist gut, wenn alles klar wird. Das Schlimmste ist, wenn die Leute etwas machen und niemand kommt drauf und dann ist es zu spät. Wir wissen, wo die Probleme liegen. Wir sehen, dass das ganze System zusammenhängt. Und dass wir die Erde nutzen müssen wie einen Garten, den man nachhaltig bewirtschaftet. So bin ich sehr optimistisch, dass der Klimawandel endlich ein Anstoß ist, nachhaltig zu denken, anders zu leben und vor allem anders zu konsumieren.
Das bedeutet aber auch, dass wir so schnell wie möglich die Emissionen herunterfahren sollten.
SN: Unbedingt. Das ist die einzige Möglichkeit. SN:
Damit wir die Erde erhalten, wie wir sie kennen?
Genau. Wenn es um etwas geht, dann um das.