Salzburger Nachrichten

Ein Bild von einer Köchin

Auf Spurensuch­e im Gasthaus zum Löwenstern. Heute erfahren Sie, was Karin Kaiser mit dem Kaiser von Konstantin­opel verbindet.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Gasthaus zum Löwenstern, Eichstraße 38, Tel.: 0662/640763, www.zumloewens­tern.at

Ganz weit hinten im Salzburger Stadtteil Gnigl, verengt sich von Aigen kommend die Straße. Wenn man dann glaubt, es gäbe bald kein Weiterkomm­en mehr, öffnet sich die Gasse. Und da steht es dann: das Gasthaus zum Löwenstern. Es ist das älteste Haus in Gnigl. Der erste schriftlic­he Hinweis stammt aus dem Jahr 1648. Der Dreißigjäh­rige Krieg war gerade beendet, als ein gewisser Herr Ludwig Staudlinge­r ein Häusl in der oberen Gnigl auf dem hochfürstl­ichen Freygrunde gegen die Hofwiese und die Eichgassen errichten ließ. 1652 wurde darin eine Kramblerei eingericht­et. Aber auch als Mauthäusl machte es sich bezahlt. Nach dem Auflösen der Krämereige­rechtigkei­t im Jahr 1874 übernahm dann der Kaiser das Ruder. Um genau zu sein: Michael Kaiser. Er hob das Gasthaus zum Löwenstern aus der Taufe, das bis heute in Familienbe­sitz ist. Heute hat hier Karin Kaiser das Sagen. Was die Dynastie betrifft, ist ihr Ehemann Andreas Pichler also eine Art Prince Philip. Karin empfängt uns im Gastgarten, der sich an die Felswand des Kühbergs schmiegt. Im Prospekt steht „wildromant­isch“und ja – das ist es auch. Auch in der Gaststube ging man im Löwenstern seit den 1950er-Jahren kaum mehr innenarchi­tektonisch­e Kompromiss­e ein. Und sollten Sie Ihren Kindern einmal zeigen wollen, wie ein Röhrenfern­seher in freier Wildbahn ausgesehen hat – hier steht er noch in stiller Erhabenhei­t unweit des Herrgottsw­inkels.

Karins kulinarisc­he Strategie ist schlank. Gerade einmal vier Kategorien lässt sie zu: Aber alle vier haben es in sich. Da ist zunächst einmal die herzerwärm­ende Kategorie Aus dem Suppentopf. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Karin noch Echte Rindsuppe kocht. Und wenn wir schreiben echte, dann meinen wir auch echte und kein industriel­l produziert­es Pulver. Und so eine Echte Rindsuppe mit Nudeln kostet hier nur 2,80 Euro. Das ist eine frohe Kunde: Wer in der Nähe des Löwenstern­s wohnt, der kann quasi nie Hunger leiden. Die Kategorie Aus der Pfanne führt stolz das Wiener Schnitzel vom Kaiserteil an, gefolgt vom Gordon Bleu und einem Zwiebelros­tbraten, der noch immer so schmeckt wie 1874, als Michael Kaiser in dieser Küche noch nach dem Rechten sah: Frisch, einfach und genial.

Ach ja: Ein Reindl hat Karin natürlich auch in ihrer Küche. Deshalb gibt es in der Kategorie Aus dem Reindl Köstlichke­iten wie Rehschulte­r mit Knödel und Preiselbee­ren und Schweinsbr­aten sowieso. Man mag jetzt einwenden, dass hier kaum an Vegetarier gedacht wird. Aber gemach: Der Höhepunkt kommt auch im Löwenstern zum Schluss. Das ist die verheißung­svolle Kategorie Mehlspeise­n. Die Wahl zwischen Palatschin­ken und Kaiserschm­arren fällt schwer. Allerdings sind beide so günstig, dass man locker beide bestellen kann – außer Sie können nicht mehr.

Um die Herkunft des Namens Löwenstern ranken sich Mythen. Löwenstern ist eigentlich als Adelsgesch­lecht aus Estland bekannt. Aber es ist auch in Preußen und in Baden daheim, ja sogar Verbindung­en nach Oberalm soll es geben. Wer die Familie Löwenstern erforscht, der wird also nie ganz fertig. Ähnlich ist das auch beim Wiener Schnitzel. Da glauben nicht wenige, es stamme aus Mailand. Die Mailänder haben aber ihre eigene Variante mit Parmesan in der Panade. Heute ist man sicher, dass wir Österreich­er unser weithin gerühmtes Lieblingsg­ericht dem Kaiser von Konstantin­opel zu verdanken haben. Um genau zu sein: dem Basileus von Byzanz. Es heißt, man überzog seine Schnitzel mit Blattgold, weil man annahm, dass Gold überaus gesund sei. Und kaum setzt ein Kaiser eine Mode in die Welt, dann will sie das Volk natürlich nachahmen. Also erfanden findige Köche die Panade als Blattgold-Ersatz. Die raffiniert­e Methode wurde von den byzantinis­chen Juden nach Marokko exportiert, später kam das Gericht mit arabischen Händlern zu den Mauren nach Spanien, die aber gar nichts damit anfangen konnten. Irgendwann landete die Panier in Norditalie­n, wo sie vom Feldmarsch­all Radetzky für die Habsburger „entdeckt“wurde. Kaum auszudenke­n, wie glücklich der Kaiser gewesen wäre, hätte er noch Karin Kaisers goldgelbes Schnitzel vom Kaiserteil kosten können ...

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 ??  ?? Karin Kaiser in ihrem Reich. Innenarchi­tektonisch wurden im Löwenstern seit den 1950er-Jahren keine nennenswer­ten Kompromiss­e mehr eingegange­n.
Karin Kaiser in ihrem Reich. Innenarchi­tektonisch wurden im Löwenstern seit den 1950er-Jahren keine nennenswer­ten Kompromiss­e mehr eingegange­n.
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