Ein Bild von einer Köchin
Auf Spurensuche im Gasthaus zum Löwenstern. Heute erfahren Sie, was Karin Kaiser mit dem Kaiser von Konstantinopel verbindet.
Ganz weit hinten im Salzburger Stadtteil Gnigl, verengt sich von Aigen kommend die Straße. Wenn man dann glaubt, es gäbe bald kein Weiterkommen mehr, öffnet sich die Gasse. Und da steht es dann: das Gasthaus zum Löwenstern. Es ist das älteste Haus in Gnigl. Der erste schriftliche Hinweis stammt aus dem Jahr 1648. Der Dreißigjährige Krieg war gerade beendet, als ein gewisser Herr Ludwig Staudlinger ein Häusl in der oberen Gnigl auf dem hochfürstlichen Freygrunde gegen die Hofwiese und die Eichgassen errichten ließ. 1652 wurde darin eine Kramblerei eingerichtet. Aber auch als Mauthäusl machte es sich bezahlt. Nach dem Auflösen der Krämereigerechtigkeit im Jahr 1874 übernahm dann der Kaiser das Ruder. Um genau zu sein: Michael Kaiser. Er hob das Gasthaus zum Löwenstern aus der Taufe, das bis heute in Familienbesitz ist. Heute hat hier Karin Kaiser das Sagen. Was die Dynastie betrifft, ist ihr Ehemann Andreas Pichler also eine Art Prince Philip. Karin empfängt uns im Gastgarten, der sich an die Felswand des Kühbergs schmiegt. Im Prospekt steht „wildromantisch“und ja – das ist es auch. Auch in der Gaststube ging man im Löwenstern seit den 1950er-Jahren kaum mehr innenarchitektonische Kompromisse ein. Und sollten Sie Ihren Kindern einmal zeigen wollen, wie ein Röhrenfernseher in freier Wildbahn ausgesehen hat – hier steht er noch in stiller Erhabenheit unweit des Herrgottswinkels.
Karins kulinarische Strategie ist schlank. Gerade einmal vier Kategorien lässt sie zu: Aber alle vier haben es in sich. Da ist zunächst einmal die herzerwärmende Kategorie Aus dem Suppentopf. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Karin noch Echte Rindsuppe kocht. Und wenn wir schreiben echte, dann meinen wir auch echte und kein industriell produziertes Pulver. Und so eine Echte Rindsuppe mit Nudeln kostet hier nur 2,80 Euro. Das ist eine frohe Kunde: Wer in der Nähe des Löwensterns wohnt, der kann quasi nie Hunger leiden. Die Kategorie Aus der Pfanne führt stolz das Wiener Schnitzel vom Kaiserteil an, gefolgt vom Gordon Bleu und einem Zwiebelrostbraten, der noch immer so schmeckt wie 1874, als Michael Kaiser in dieser Küche noch nach dem Rechten sah: Frisch, einfach und genial.
Ach ja: Ein Reindl hat Karin natürlich auch in ihrer Küche. Deshalb gibt es in der Kategorie Aus dem Reindl Köstlichkeiten wie Rehschulter mit Knödel und Preiselbeeren und Schweinsbraten sowieso. Man mag jetzt einwenden, dass hier kaum an Vegetarier gedacht wird. Aber gemach: Der Höhepunkt kommt auch im Löwenstern zum Schluss. Das ist die verheißungsvolle Kategorie Mehlspeisen. Die Wahl zwischen Palatschinken und Kaiserschmarren fällt schwer. Allerdings sind beide so günstig, dass man locker beide bestellen kann – außer Sie können nicht mehr.
Um die Herkunft des Namens Löwenstern ranken sich Mythen. Löwenstern ist eigentlich als Adelsgeschlecht aus Estland bekannt. Aber es ist auch in Preußen und in Baden daheim, ja sogar Verbindungen nach Oberalm soll es geben. Wer die Familie Löwenstern erforscht, der wird also nie ganz fertig. Ähnlich ist das auch beim Wiener Schnitzel. Da glauben nicht wenige, es stamme aus Mailand. Die Mailänder haben aber ihre eigene Variante mit Parmesan in der Panade. Heute ist man sicher, dass wir Österreicher unser weithin gerühmtes Lieblingsgericht dem Kaiser von Konstantinopel zu verdanken haben. Um genau zu sein: dem Basileus von Byzanz. Es heißt, man überzog seine Schnitzel mit Blattgold, weil man annahm, dass Gold überaus gesund sei. Und kaum setzt ein Kaiser eine Mode in die Welt, dann will sie das Volk natürlich nachahmen. Also erfanden findige Köche die Panade als Blattgold-Ersatz. Die raffinierte Methode wurde von den byzantinischen Juden nach Marokko exportiert, später kam das Gericht mit arabischen Händlern zu den Mauren nach Spanien, die aber gar nichts damit anfangen konnten. Irgendwann landete die Panier in Norditalien, wo sie vom Feldmarschall Radetzky für die Habsburger „entdeckt“wurde. Kaum auszudenken, wie glücklich der Kaiser gewesen wäre, hätte er noch Karin Kaisers goldgelbes Schnitzel vom Kaiserteil kosten können ...