Hart, aber sehr herzlich
Begegnung mit Isländern. Sie tauchen in Eiswasser und räuchern mit Schafsdung. Und sie erobern nicht nur mit Huh-Rufen die Herzen.
Asterix und Obelix hätten es sicherlich auf den Punkt gebracht: „Die spinnen, die Isländer!“In Akranes, der größten Stadt in Westisland, treffen einander drei Mal pro Woche die Meeresschwimmer von Akranes. Und eines ist glasklar: Diese Veranstaltung ist nichts für Warmduscher! Die Wassertemperatur beträgt nah am Polarkreis selbst im Hochsommer selten mehr als neun Grad Celsius.
Aus medizinischer Sicht ist so ein Tauchbad jedoch höchst empfehlenswert. „Der Kältereiz stärkt das Immunsystem“, sagt Guðni Hannesson, ein Hüne mit Vollbart, der wie ein Bilderbuch-Wikinger aussieht. „Ist auch gut gegen Muskelkater“, fügt er grinsend hinzu. „Deshalb heißt es für Fußballer nach einem Spiel: Ab in die Eistonne!“Er wohnt in Akranes und kennt sich aus – der Fußballverein der Stadt gehört zu den besten des Landes. Zum Schwimmen im eiskalten Atlantik tragen die Eiswasserschwimmer übrigens Schuhe und Handschuhe aus Neopren, danach geht’s in den mollig warmen Hot Pot des nahe gelegenen Thermalbads: nach dem Meerbad ein doppelt wonniges Erlebnis.
Am wunderschönen Fjord Hvalfjörður östlich von Akranes kann man Arnheiður Hjorleifsdóttir treffen. Gemeinsam mit ihrem Mann, den Schwiegereltern und ihrem Schwager bewirtschaftet sie die Bjarteyjarsandur Farm. Über 600 Schafe besitzt die Familie, außerdem Hütehunde, Hühner, Islandpferde, Kaninchen, zwei Ziegen und während des Sommers auch einige frei laufende Schweine. Im Frühsommer lassen sich Lämmchen streicheln und auch – in Begleitung von Arnheiður – im Fjord Muscheln sammeln. Dazu zeigt die Bäuerin den Gästen, wie sie die Wolle verarbeitet, und verrät, warum ihr Lammschinken beim nationalen Gourmetwettbewerb ausgezeichnet worden ist: Sie legt ihn in Heidelbeersirup ein; geräuchert werde anschließend in „dried, old sheepshit“, also getrocknetem Schafsdung, sagt Arnheiður und lacht.
Das bekannteste Heißquellengebiet Islands liegt im Südwesten des Landes, und ein Abstecher ins Örtchen Reykholt lohnt auf jeden Fall. Denn bei Familie Ármann lässt sich die Erdwärme bestaunen: Die Ármanns bauen hier mithilfe der Geothermie Tomaten an. Und die gedeihen sogar prächtig. Rund eine Tonne täglich wird geerntet. Besucher der Farm dürfen dabei zusehen oder auch mal selbst Hand anlegen. Damit das Nachtschattengewächs, das ja Wärme liebt, sich wohlfühlt, heizt Knútur Ármann seinen Tomaten kräftig ein – eben mit Erdwärme, günstig und umweltfreundlich. Und so ist heute in Island selbstverständlich, was vor 20 Jahren noch undenkbar war: In jedem Supermarkt in Island gibt es heimische Tomaten, knapp ein Fünftel davon stammt aus den Gewächshäusern der Farm Friðheimar der Ármanns.
Das Geschäft boomt, obwohl die Tomaten der Ármanns sogar teurer sind als Importware aus Mitteleuropa. „Die Isländer zahlen für lokale Produkte gerne etwas mehr“, erklärt Knúturs Frau Helena stolz. Wer mag, kann in einer Art Bistro zwischen den Tomatenranken im wohltemperierten Gewächshaus einkehren und dort Pasta mit hausgemachtem Tomatensugo, Tomatensuppe oder Apfelkuchen mit grünen Tomaten und Schlagsahne oder Tomateneis probieren. Und seit Neuestem auch ein Tomatenbier von Ármann. Und im Bauernladen „Little Tomato Shop“gibt es essbare Souvenirs zu kaufen.
„Das ist mein Ofen“, sagt Maria Rós Björnsdóttir und deutet auf den Boden. Nur wenige Meter vom See Laugarvatn steigen in dessen Uferzone an mehreren Stellen eigentümliche Luftblasen auf. Laugarvatn bedeutet „lauwarmes Wasser“. Tatsächlich jedoch tritt hier an verschiedenen Stellen kochend heißer Dampf aus, der sich mit dem Wasser des Sees vermischt. Und so hat sich die 23-jährige Maria Rós eine Stelle am Ufer gesucht, an der der Sand „kocht“. Am Vortag hatte sie Brotteig in einen Topf mit Deckel getan und ihn hier vergraben, 24 Stunden später ist das Brot fertig.
Das Verfahren nennt sich „Geothermale Bäckerei“. „Seit Jahrhunderten wird in Island das Brot auf diese Weise zubereitet“, berichtet Maria Rós, während sie mit dem Spaten routiniert den Topf aus der Erde holt. Wenig später dürfen ihre Gäste den frisch aufgeschnittenen Laib noch lauwarm genießen, belegt mit isländischer Butter und geräuchertem Lachs. Köstlich!
„Unser Rúgbrauð schmeckt so ähnlich wie euer Schwarzbrot“, weiß Maria Rós. Nur, dass Rúgbrauð – zu Deutsch schlicht Roggenbrot – gern bei übermäßigem Verzehr Blähungen verursacht und von den Einheimischen deshalb Prumari, also Donnerbrot, genannt wird, bleibt unerwähnt. Mit solchen Kleinigkeiten halten sich die Bewohner der kühlen Insel nicht auf. Die Isländer sind hart im Nehmen.