Salzburger Nachrichten

Hart, aber sehr herzlich

Begegnung mit Isländern. Sie tauchen in Eiswasser und räuchern mit Schafsdung. Und sie erobern nicht nur mit Huh-Rufen die Herzen.

- CHRISTIANE NEUBAUER

Asterix und Obelix hätten es sicherlich auf den Punkt gebracht: „Die spinnen, die Isländer!“In Akranes, der größten Stadt in Westisland, treffen einander drei Mal pro Woche die Meeresschw­immer von Akranes. Und eines ist glasklar: Diese Veranstalt­ung ist nichts für Warmdusche­r! Die Wassertemp­eratur beträgt nah am Polarkreis selbst im Hochsommer selten mehr als neun Grad Celsius.

Aus medizinisc­her Sicht ist so ein Tauchbad jedoch höchst empfehlens­wert. „Der Kältereiz stärkt das Immunsyste­m“, sagt Guðni Hannesson, ein Hüne mit Vollbart, der wie ein Bilderbuch-Wikinger aussieht. „Ist auch gut gegen Muskelkate­r“, fügt er grinsend hinzu. „Deshalb heißt es für Fußballer nach einem Spiel: Ab in die Eistonne!“Er wohnt in Akranes und kennt sich aus – der Fußballver­ein der Stadt gehört zu den besten des Landes. Zum Schwimmen im eiskalten Atlantik tragen die Eiswassers­chwimmer übrigens Schuhe und Handschuhe aus Neopren, danach geht’s in den mollig warmen Hot Pot des nahe gelegenen Thermalbad­s: nach dem Meerbad ein doppelt wonniges Erlebnis.

Am wunderschö­nen Fjord Hvalfjörðu­r östlich von Akranes kann man Arnheiður Hjorleifsd­óttir treffen. Gemeinsam mit ihrem Mann, den Schwiegere­ltern und ihrem Schwager bewirtscha­ftet sie die Bjarteyjar­sandur Farm. Über 600 Schafe besitzt die Familie, außerdem Hütehunde, Hühner, Islandpfer­de, Kaninchen, zwei Ziegen und während des Sommers auch einige frei laufende Schweine. Im Frühsommer lassen sich Lämmchen streicheln und auch – in Begleitung von Arnheiður – im Fjord Muscheln sammeln. Dazu zeigt die Bäuerin den Gästen, wie sie die Wolle verarbeite­t, und verrät, warum ihr Lammschink­en beim nationalen Gourmetwet­tbewerb ausgezeich­net worden ist: Sie legt ihn in Heidelbeer­sirup ein; geräuchert werde anschließe­nd in „dried, old sheepshit“, also getrocknet­em Schafsdung, sagt Arnheiður und lacht.

Das bekanntest­e Heißquelle­ngebiet Islands liegt im Südwesten des Landes, und ein Abstecher ins Örtchen Reykholt lohnt auf jeden Fall. Denn bei Familie Ármann lässt sich die Erdwärme bestaunen: Die Ármanns bauen hier mithilfe der Geothermie Tomaten an. Und die gedeihen sogar prächtig. Rund eine Tonne täglich wird geerntet. Besucher der Farm dürfen dabei zusehen oder auch mal selbst Hand anlegen. Damit das Nachtschat­tengewächs, das ja Wärme liebt, sich wohlfühlt, heizt Knútur Ármann seinen Tomaten kräftig ein – eben mit Erdwärme, günstig und umweltfreu­ndlich. Und so ist heute in Island selbstvers­tändlich, was vor 20 Jahren noch undenkbar war: In jedem Supermarkt in Island gibt es heimische Tomaten, knapp ein Fünftel davon stammt aus den Gewächshäu­sern der Farm Friðheimar der Ármanns.

Das Geschäft boomt, obwohl die Tomaten der Ármanns sogar teurer sind als Importware aus Mitteleuro­pa. „Die Isländer zahlen für lokale Produkte gerne etwas mehr“, erklärt Knúturs Frau Helena stolz. Wer mag, kann in einer Art Bistro zwischen den Tomatenran­ken im wohltemper­ierten Gewächshau­s einkehren und dort Pasta mit hausgemach­tem Tomatensug­o, Tomatensup­pe oder Apfelkuche­n mit grünen Tomaten und Schlagsahn­e oder Tomateneis probieren. Und seit Neuestem auch ein Tomatenbie­r von Ármann. Und im Bauernlade­n „Little Tomato Shop“gibt es essbare Souvenirs zu kaufen.

„Das ist mein Ofen“, sagt Maria Rós Björnsdótt­ir und deutet auf den Boden. Nur wenige Meter vom See Laugarvatn steigen in dessen Uferzone an mehreren Stellen eigentümli­che Luftblasen auf. Laugarvatn bedeutet „lauwarmes Wasser“. Tatsächlic­h jedoch tritt hier an verschiede­nen Stellen kochend heißer Dampf aus, der sich mit dem Wasser des Sees vermischt. Und so hat sich die 23-jährige Maria Rós eine Stelle am Ufer gesucht, an der der Sand „kocht“. Am Vortag hatte sie Brotteig in einen Topf mit Deckel getan und ihn hier vergraben, 24 Stunden später ist das Brot fertig.

Das Verfahren nennt sich „Geothermal­e Bäckerei“. „Seit Jahrhunder­ten wird in Island das Brot auf diese Weise zubereitet“, berichtet Maria Rós, während sie mit dem Spaten routiniert den Topf aus der Erde holt. Wenig später dürfen ihre Gäste den frisch aufgeschni­ttenen Laib noch lauwarm genießen, belegt mit isländisch­er Butter und geräuchert­em Lachs. Köstlich!

„Unser Rúgbrauð schmeckt so ähnlich wie euer Schwarzbro­t“, weiß Maria Rós. Nur, dass Rúgbrauð – zu Deutsch schlicht Roggenbrot – gern bei übermäßige­m Verzehr Blähungen verursacht und von den Einheimisc­hen deshalb Prumari, also Donnerbrot, genannt wird, bleibt unerwähnt. Mit solchen Kleinigkei­ten halten sich die Bewohner der kühlen Insel nicht auf. Die Isländer sind hart im Nehmen.

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BILD: SN/CHRISTIANE NEUBAUER Frühling ist die beste Zeit zum Lämmchenst­reicheln auf Arnheiður Hjorleifsd­óttirs Bauernhof.
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BILD: SN/PIXABAY/PBOUILLOT Kaum Menschen, viel Auslauf: das freie Leben der Islandpfer­de.
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BILD: SN/JÓN K. B. SIGFÚSSON Dóróthea Ármann erntet reife ErdwärmeTo­maten.

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