Salzburger Nachrichten

Ein Selbsttest auf den Spuren der Expression­isten in Bayern.

INFORMATIO­N

- SUSANNE BÖLLERT www.murnau.de/de/malen-im-moos.html www.dasblauela­nd.de www.murnau.de;

Es hat geregnet, die Erde dampft, die Mücken summen, irgendwo läuten Kuhglocken. Treffpunkt mit dem Künstler ist vor dem „Ähndl“, der pittoreske­n Traditions­gaststätte am Murnauer Moos. Vielleicht doch lieber auf ein Bier? Doch in Murnau muss man eigentlich malen. Wenn man schon einmal da ist. In dem bayrischen Staffelsee-Städtchen und Wahlheimat von Expression­isten wie Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, das sich aktuell durch eine bemerkensw­ert lebendige Künstlersz­ene mit zahlreiche­n Galerien und Aktionen auszeichne­t, stößt man zwangsläuf­ig auf das Thema Kunst. Und sogar im „Ähndl“hat neben der Kochkunst auch die bildende ein Wörtchen mitzureden.

Christian Schied schaut in den Himmel, nickt, verteilt praktische Metall-Staffeleie­n und Klappstühl­chen und gibt die Richtung vor. Ein schmaler Weg führt direkt ins Murnauer Moos, die größte zusammenhä­ngende Moorlandsc­haft der Alpen. Besser gesagt: Genau bis zu dessen Rand, ab dem es sumpfig wird. Zuerst die Motivauswa­hl. Mit Bäumen im Vordergrun­d öffnet sich der Tunneloder Fensterbli­ck und Tiefe kommt ins Bild, ohne all das haben wir aber weniger Details. Also lieber ein Stückchen nach links, wir wollen es sachte angehen lassen.

Der Experte erklärt, das Moos mit seinen Gräsern, dahinter das Wetterstei­nmassiv mit Zugspitze und Alpspitze. Leider momentan verhangen, aber dennoch vorstellba­r. Und ohnehin sieht jeder anders. Die Subjektivi­tät des Betrachter­s. Christian Schied beschreibt den Bildaufbau – in Worten und mit Bleistift auf Papier.

Jeder fertigt seine eigene Skizze, um in der Schwarz-Weiß-Eintönigke­it ein Gefühl für die passende Helligkeit zu bekommen. „Ein zentraler Begriff der Farbenlehr­e“, erklärt Schied. „Je nach Lichtverhä­ltnissen kann das Moos im Bleistiftb­ild dieselbe Helligkeit wie der Himmel haben, nur in einem anderen Farbton eben.“

Okay. Mischen. Gelb, Blau, Rot, Weiß – daraus lässt sich die komplette Palette zaubern. Kennt man irgendwie noch aus der Schule. Jeder probiert sich aus. Ganz unterschie­dliche Ergebnisse entstehen. Bunte Bilder in Acrylfarbe. Schied gibt individuel­le Tipps, verrät Tricks und bestärkt. „Mit Farbe darf man schon mutig sein“, sagt er, „aber nicht jeder Mut wird belohnt.“Dennoch sind es gerade die Überraschu­ngen, auf die er sich auch nach 20 Jahren Malkursen immer wieder freut. „Besonders auf die guten Fehler. Wenn etwas den klassische­n Regeln widerspric­ht, aber trotzdem in sich stimmig ist.“

Schied vermittelt im Moos keine bestimmte Technik. Stattdesse­n die Grammatik, die gebraucht wird, um sich bildlich auszudrück­en. „Mit den Grundbegri­ffen im Hinterkopf können auch Anfänger erstaunlic­he Resultate erzielen“, weiß der Künstler. Obwohl er selbst seine Akzente in der konkreten Malerei setzt, kann er die Begeisteru­ng der Expression­isten nachempfin­den, die sich in Murnau und dem Blauen Land verewigt haben. Dabei ist es weniger die royale Farbe Blau in all ihren Schattieru­ngen, vielmehr das fantastisc­he Spiel der Farben und des Lichts, das es ihm angetan hat.

Zum Malen im Moos hat er einen Platz gewählt, an dem die Farben im Hintergrun­d wärmere Töne haben als die im Vordergrun­d: „Ein absolut starkes Phänomen“, sagt Schied. Und auch man selbst erkennt es plötzlich. Fazit: Ein überaus lehrreiche­r Nachmittag mit kreativem Erfolgserl­ebnis – und in spektakulä­rer Kulisse. Nachdem man mutig über den eigenen Schatten gesprungen ist, scheint das Feierabend­bier im Ähndl jetzt wirklich verdient. Von April bis Oktober. Christian Schied bietet regelmäßig Ganztagesk­urse (60 Euro) sowie Halbtagesk­urse (30 Euro), Tourist-Informatio­n Murnau,

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Farbspiel im Herbst: Blick über das Murnauer Moos.
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BILDER: SN/BÖLLERT (2) Kleine Hilfe beim Farbmische­n.

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