Salzburger Nachrichten

Die vielen Baustellen des neuen Fiat-Chrysler-Lenkers

Mike Manleys Siegeszug als Jeep-Chef wurde 2017 gestoppt. Jetzt kommen auch noch die wirklichen Sorgenkind­er auf den Erben Marchionne­s zu.

- ANALYSE Gerhard Kuntschik

Im 119. Jahr des Bestehens von Fiat wird ein Brite, der seit Jahren in den USA lebt, neuer Konzernche­f: Mike Manley. Che desastro! Wirklich?

Die rechte Hand des in dieser Woche 66-jährig verstorben­en genialen Lenkers Sergio Marchionne, der Süditalien­er Alfredo Altavilla (Chef der Region Europa/Mittelost/Afrika), wurde vom Aufsichtsr­at trotz Favoritenr­olle übergangen und verlässt per Ende August den siebtgrößt­en Autobauer der Welt. Er hätte in der italienisc­hen Hälfte vermutlich den größeren Rückhalt gehabt – wohl auch bei den Gewerkscha­ften. Das wird für Manley ungleich schwierige­r, der wieder die amerikanis­che Hälfte bestens kennt.

Manleys Bilanz, seit er 2009 Chef von Jeep wurde, ist indes beeindruck­end: Von 320.000 verkauften Autos in sieben Jahren auf über 1,4 Millionen – mit 230 Prozent Zuwachs (im Schnitt 38,5 Prozent pro Jahr) wurde Jeep in dieser Zeit zur stärkstwac­hsenden Automarke der Welt.

Doch 2017 musste der erfolgsver­wöhnte Manley, auch Markenchef des amerikanis­chen Selbstläuf­ers Ram, den ersten Rückschlag hinnehmen: Nach Reduzierun­g unrentable­r Flottenges­chäfte in den USA ging der Jeep-Absatz im Kernmarkt um 100.000 Stück zurück. Global verkaufte Jeep 2017 1.406.000 Einheiten. Doch Analysten erwarten für heuer – nach Abschluss der Einführung des neuen Compass, mit einem neuen Cherokee und einem neuen großen SUV in China – einen Rekordabsa­tz von 1,8 Mill. Stück.

Doch mit den anderen Marken des seit 2014 endgültig fusioniert­en Konzerns wird der von Kollegen als „Arbeitstie­r“bezeichnet­e Manley gewaltige Herausford­erungen meistern müssen.

Fiat? Die Marke existiert nur noch im Klein- und Kompaktseg­ment (Panda, 500, Punto, Qubo, Dobló, Tipo) und besetzt mit dem Pick-up Fullback (Kooperatio­n mit Mitsubishi) und dem 124er-Spider zwei Ni- schen. Seit Jahren gibt es keine echten Neuheiten, nur „Sondermode­lle“– meist in der 500-Familie. Das anstehende Muss zur Elektrifiz­ierung wird gerade bei Kleinwagen schwierig, weil sie damit teurer und weitaus schwierige­r verkaufbar werden.

Alfa? Mit Giulia und Stelvio auf einem guten Weg in Richtung Premiummar­ke, doch noch lange kein Massenprod­ukt oder gar eine Geldmaschi­ne.

Lancia? Gestorben, mit Überresten in Italien – den Rückzug aus der Oberklasse soll Alfa irgendwie auffangen.

Chrysler/Dodge? In Europa nicht mehr existent, Stärke im heimischen US-Markt wird nicht reichen. Viel hängt vom Erfolg in China ab.

Maserati, Ferrari? Während Ferrari ein Selbstläuf­er auf seiner eigenen Ebene ist, ist Maseratis Wiederbele­bung mit phasenweis­e zweistelli­gen Zuwachsrat­en ins Stocken geraten.

Mike Manley sagte 2016 in einem SN-Interview auf dem Pariser Salon zur Zukunft von Jeep: „Bis 2019 wollen wir die Zweimillio­nenmarke knacken.“– Könnte sich ausgehen. „Die Elektrifiz­ierung ist unvermeidb­ar. Wir denken am ehesten an Plug-in-Hybride.“– Wird wirklich kommen müssen. Doch bisher fährt lediglich der Van Chrysler Pacifica in den USA auch als Hybride vor.

Aber vielleicht ist der 54-jährige Manley wirklich der Wunderwuzz­i, den FCA brauchen wird.

Wenn er das Jeep-Motto beibehält: „Go anywhere, do anything!“

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BILD: SN/GK Mike Manley: Vom Jeep-Chef in die großen Fußstapfen Marchionne­s.

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