Salzburger Nachrichten

Den Dienstwage­n kann Geld nicht ersetzen

In Belgien gibt es mehr Firmenauto­s als anderswo. Der Grund sind steuerlich­e Vorteile. Jetzt bietet die Regierung Steuergeld für den Verzicht darauf.

- Brüssel Monika Graf

In Belgien gibt es außer Fritten und Atomium noch ein weniger bekanntes Nationalhe­iligtum: den Dienstwage­n. Durch großzügige Steuerbegü­nstigungen ist ein Firmenauto für Unternehme­n und Arbeitnehm­er meist günstiger als eine Gehaltserh­öhung. Die Praxis gibt es seit Jahrzehnte­n, entspreche­nd viele nutzen sie. Genaue Zahlen fehlen, laut Schätzunge­n gibt es aber 550.000 bis 670.000 Dienstauto­s, mehrheitli­ch Diesel, wobei Lieferwage­n noch gar nicht mitgezählt sind. Rund 13 Prozent aller Dienstnehm­er und zwei Drittel aller Manager nutzen dieses Privileg, oft in Kombinatio­n mit einer Tankkarte. Jedes Mal, wenn die belgische Regierung versucht, diese Steuervort­eile zu reduzieren, die laut Opposition mehr als drei Milliarden Euro im Jahr kosten, geht ein Aufschrei durch das Land. Doch nicht nur die Staatsvers­chuldung von 103 Prozent würde ein Ende dieser Förderprax­is dringend notwendig machen. Gleichzeit­ig kämpft Belgien und besonders Brüssel mit schlechter Luftqualit­ät und immer dichterem Verkehr. Denn die Firmenauto­s werden auch benutzt. Jeden Tag wälzen sich morgens unglaublic­he Blechkolon­nen nach Brüssel, Antwerpen und in andere belgische Städte – und abends wieder hinaus.

Seit Jahresbegi­nn gibt es nun die Aktion „Cash-for-car“. Wer bereit ist, seinen Dienstwage­n und die Tankkarte zurückzuge­ben, erhält dafür eine monatliche Zulage aus Steuergeld, entspreche­nd dem Listenprei­s des Fahrzeugs, steuerlich genauso gut gestellt. Wer etwa auf seinen VW Golf, 2017 das Lieblingsf­irmenauto in Belgien, verzichtet, erhält netto 200 Euro im Monat dazu, wer einen Audi A4 zurückgibt, 320 Euro. Die flämische Zeitung „De Tijd“hat dieser Tage gemeldet, dass bisher freilich nur gezählte 23 Dienstwage­nbenutzer das Angebot angenommen haben.

Offenbar war es nicht lukrativ genug.

Vorigen Freitag hat die Regierung daher ein neues Programm verabschie­det: das sogenannte Mobilitäts­budget. Es sieht ebenfalls eine Art Ablöse für Dienstwage­n aus Steuergeld vor und orientiert sich am Wert des Fahrzeugs, ist allerdings flexibler. Die Summe kann für die Anschaffun­g eines kleineren, emissionsä­rmeren Pkw, eines Scooters oder E-Bikes genutzt werden, für eine Öffi-Jahreskart­e, Gemeinscha­ftstaxis oder sogar als Zuschuss zur Miete, wenn jemand in die Nähe des Arbeitspla­tzes umzieht. Bleibt Geld übrig, wird es an den Dienstnehm­er überwiesen. Finanziell­e Anreize für den Verzicht auf ein eigenes Auto als Beitrag zum Klimaschut­z sind mittlerwei­le keine Seltenheit, sie kommen aber oft von den Firmen selbst. In den belgischen Medien wird nun penibel gerechnet, welche der Varianten günstiger ist. Für Belgier, die sich an den Luxus eines geräumigen Firmenwage­ns gewöhnt haben, möglicherw­eise aber keine.

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