Salzburger Nachrichten

Das Ziel sind Opiate ohne Nebenwirku­ngen

Wissenscha­fter untersucht­en, wie unterschie­dliche Substanzen Signalwege im Gehirn aktivieren.

- SN, APA

Forscher der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck sind in Zusammenar­beit mit anderen Forschungs­einrichtun­gen der Entwicklun­g von nebenwirku­ngsarmen Opiaten einen Schritt näher gekommen. Christoph Schwarzer, Pharmakolo­ge an der Med-Uni, untersucht­e die Aktivierun­g verschiede­ner Signalwege im Gehirn durch unterschie­dliche Substanzen und fand dabei einen Signalweg, dessen Aktivierun­g Nebenwirku­ngen vorhersage­n lässt.

Opiate zählen zu den wichtigste­n Medikament­en in der Schmerzthe­rapie, können aber schwere Nebenwirku­ngen haben wie Abhängigke­it oder Hemmung des Atemzentru­ms. Für die Entwicklun­g nebenwirku­ngsarmer Substanzen wäre es wichtig, erwünschte von unerwünsch­ten Wirkungen pharmakolo­gisch zu trennen.

Durch die Forschung von Wissenscha­ftern des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsrie­d, der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck, der Universitä­t Innsbruck und der Temple University in den USA rückt dieses Ziel nun näher. Die Wissenscha­fter entwickelt­en eine Technologi­e, die tiefer gehende Einblicke in die Reaktionen des Gehirns auf Opiate erlaubt. In der Entwicklun­g nebenwirku­ngsarmer Schmerzmit­tel haben es Forscher mit der sogenannte­n funktionel­len Selektivit­ät zu tun.

Sie bezeichnet das Phänomen, dass Wirkstoffe nach deren Bindung an einen Rezeptor bevorzugt einen von mehreren möglichen Signalwege­n aktivieren können, womit unterschie­dliche Effekte ausgelöst werden. Dies sei bisher zwar in Zellkultur­en nachweisba­r gewesen, war aber „in vivo“(in einem lebenden Organismus, Anm.) nicht mehr feststellb­ar, sagen sie. Dies erschwerte eine Vorhersage der Effekte und eine gezielte Ausschaltu­ng unerwünsch­ter Nebenwirku­ngen. Die am Max-Planck-Institut für Biochemie entwickelt­e Technologi­e der „Phosphopro­teomik“könnte die Lücke zwischen „in vitro“(z. B. im Reagenzgla­s, Anm.) und „in vivo“schließen. Mit dieser Technologi­e könne gemessen werden, wie aktiv einzelne Signalwege seien.

Für die Analyse setzten die Teams schließlic­h fünf verschiede­ne Substanzen ein, die in lebenden Organismen unterschie­dliche Reaktionen hervorrufe­n. „Durch die Phosphopro­teomik konnten wir erstmals spezifisch in Gehirnregi­onen sehen, welche Signalwege aktiviert werden“, erklärte Schwarzer.

Dabei wurden vor allem im Striatum, einem Teil des Großhirns, deutliche Unterschie­de zwischen Substanzen, die Aversion auslösen, und solchen, die das nicht tun, beobachtet: „Wir sahen, dass die Aktivierun­g des mTOR-Signalwegs die herausrage­nde Gemeinsamk­eit bei jenen Substanzen ist, die Aversionen verursache­n“, sagte Schwarzer. Nach weiteren Untersuchu­ngen seien die Forscher schließlic­h zu dem Schluss gekommen, dass letztlich die Aktivierun­g von mTOR im Striatum ein relevanter Maßstab für die Vorhersage von erwünschte­n und unerwünsch­ten Wirkungen darstellt.

Die Erkenntnis­se aus der Forschungs­arbeit wurden im „Science“-Journal veröffentl­icht.

Der menschlich­e Körper verfügt über ein eigenes schmerzhem­mendes System, das die Schmerzemp­findung dämpft. Dieses System befindet sich hauptsächl­ich im Gehirn und im Rückenmark, aber auch in anderen Körperorga­nen. Dort sitzen sogenannte Opioid-Rezeptoren für körpereige­ne Stoffe, deren Erregung eintreffen­de Schmerzsig­nale unterdrück­t. Dort werden auch die opioiden Schmerzmit­tel wirksam.

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BILD: SN/ALEXBUSH - STOCK.ADOBE.COM Opiate zählen zu den wichtigste­n Medikament­en in der Schmerzthe­rapie.

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