„Zum Glück sind wir alle so unterschiedlich“
„Wir sind Champions“erzählt von einem Team mit Menschen mit geistigen Behinderungen – und ist voller Lektionen für Lebensglück.
WIEN. Ein jähzorniger Basketballcoach verliert seinen Job und baut betrunken beinah einen Unfall. Zur Strafe bekommt er Sozialstunden aufgebrummt, als Trainer eines Teams von Menschen mit geistigen Behinderungen: Vordergründig klingt der spanische Film „Wir sind Champions“nach Betroffenheitskitsch. In Spanien ist die mitreißende Komödie aber zum Blockbuster geworden. Zu verdanken ist dies dem fantastischen Darstellerteam, sagt Regisseur Javier Fesser – und der Lebensklugheit, die von Menschen ohne Eitelkeit zu lernen ist. SN: Wie erklären Sie sich den enormen Erfolg dieses Films in Spanien?
Javier Fesser: Der Reiz liegt sicherlich an meinen Darstellern, weil das keine Filmfiguren sind, sondern reale Menschen. Wir sehen sie so, wie sie wirklich sind, ich habe das Drehbuch nach ihren tatsächlichen Persönlichkeiten entwickelt, und dadurch ist es einfach, sich von ihnen berühren zu lassen. Jeder von uns kennt so jemanden, und im Film fühlt man mit diesen Leuten. Es gibt viel zu lachen, viel zu weinen, und zugleich wächst die Erkenntnis: Die sind nicht grundlegend anders, das sind letztlich normale Leute, die halt auf eine andere Weise normal sind. SN: Hat dieser Film Ihnen auch so eine Erkenntnis gebracht? Ja, ich habe den Film begonnen mit der Überzeugung, dass wir alle gleich sind. Aber das ist nicht so. Wir sind auf wundervolle Weise unterschiedlich, jeder und jede von uns. Zum Glück sind wir das! Oft fürchten wir uns, andere Leute, andere Orte, andere Gesellschaftsschichten oder Situationen kennenzulernen, aber tatsächlich haben wir erst in der Begegnung mit anderen eine Chance auf aufregende Erfahrungen. Wir lernen, ändern unsere Meinung, erweitern unseren Horizont. Und dabei lernen wir, dass wir nicht das Zentrum des Universums sind. Wir sind gewohnt, über meinen Nachbarn zu reden, über Ausländer, über meinen Schwager – aber zugleich sind wir auch Nachbar von jemandem, Ausländer, Schwager von jemandem. SN: Diese Entwicklung macht die Hauptfigur durch, der Trainer, der gezwungen ist, mit diesem Team zusammenzuarbeiten. Was ist sein Problem? Er versucht zu verbergen, wer oder was er wirklich ist. Er versucht, größer zu wirken, er versucht, schlauer zu wirken. Nur vordergründig ist er normal, in Wahrheit leidet er an den dysfunktionalen Beziehungen in seinem Leben, zu seiner Mutter, zu seiner Frau, seinem Freund. Er hat kein spezielles „Behindert“-Etikett, hat aber ganz viele Behinderungen, mit denen er umgehen muss – wie letztlich wir alle. SN: Die meisten Ihrer Darsteller sind Laien. Was hat die Filmerfahrung mit ihnen gemacht? Zu Beginn kannten sie einander nicht, und mein erster Job war es, ein Basketballteam aus ihnen zu machen. Wenn ich mit nur einem von ihnen vor der Kamera drehte, haben die anderen acht hinter der Kamera angefeuert: „Du bist der Beste, du schaffst das!“Die Erfahrung war wirklich groß für sie. Aber sie erleben diese außergewöhnlichen Dinge auf eine ganz natürliche Weise. In Spanien sind sie jetzt berühmt, sie können auf der Straße keinen Meter gehen, ohne um ein Selfie gebeten zu werden. Aber wir reden hier von Leuten, die keinerlei Eitelkeit kennen, das sind extrem großzügige, natürliche und sehr normale Leute, ich kann es nicht anders sagen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Alle haben große Freude an der Filmerfahrung gehabt, sie würden das unglaublich gern wiederholen. Aber als ein Journalist einen von ihnen gefragt hat: „Würden Sie gern ,Champions 2‘ drehen?“, da war die Antwort: „Ja, aber ich werde es nicht tun. Es gibt sehr viele Leute mit geistigen Behinderungen wie mich, und jetzt soll jemand anderer drankommen.“Noch so eine Erkenntnis, oder? Die sind nicht verrückt und halten sich jetzt für Schauspieler, die demnächst einen Oscar kriegen. Das Leben geht weiter. Dass sie derzeit so berühmt sind, finden sie einfach lustig. Film: Wir sind Champions. Komödie, Spanien 2018. Regie: Javier Fesser. Mit Javier Gutiérrez, Jesús Lago Solís, Roberto Sánchez u. a. Start: 3. 8.