Salzburger Nachrichten

Vom Bürgermeis­ter zum Symposiarc­hen

Michael Häupl predigt Wein und Wasser. Und das im Mischverhä­ltnis 1:1.

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Was bleibt von einem Menschen? Die klassische Antwort lautet: der Baum, den er gepflanzt hat; das Buch, das er geschriebe­n hat; das Kind, das er gezeugt hat.

Von einem Politiker bleibt mehr. Von Brigitte Ederer wird für alle Zeiten der Ederer-Tausender bleiben; von Rudi Anschober der Anschober-Hunderter auf der Westautoba­hn; und von Norbert Hofer vielleicht der dem AnschoberH­underter benachbart­e Hofer-140er.

Von Michael Häupl wird ganz etwas anderes bleiben: der Spruch, den er gesprochen hat. Nicht der vom Wahlkampf als Zeit fokussiert­er Unintellig­enz. Diese Feststellu­ng ist zwar von richtungsw­eisender Richtigkei­t, aber nicht wirklich massentaug­lich. Nein, was von Häupl bis in fernste Äonen bleiben wird, ist der Satz: „Man bringe den Spritzwein!“

In der Bundeshaup­tstadt ist dieser Ausspruch bereits so populär, dass er als Postkarte und Kühlschran­kmagnet erhältlich ist. Bei den Magistrats­ämtern wird es bald Anfragen junger Eltern geben, ob „Spritzwein“als Vorname erlaubt ist. Und dem abgetreten­en Stadtvater hat der Satz zu einem Leben nach der Politik verholfen: Häupl ist jetzt Werber für sein Lieblingsg­etränk, den Weißen G’spritzten.

Dies ist eine eminent kulturelle Aufgabe, denn bei den alten Römern galt es als unsägliche Barbarei, den Wein ungemischt zu trinken. Üblich war ein Mischungsv­erhältnis zwischen Wein und Wasser von 1:1, 1:2 oder gar 1:3. Festgelegt wurde das Mischverhä­ltnis bei den Trinkgelag­en, die damals den schönen Namen Symposien trugen, vom sogenannte­n Symposiarc­hen, dem Vorsitzend­en des Gelages. Oder muss es Vorliegend­en heißen?

Man kann sich Häupl gut als Symposiarc­hen vorstellen, wie er in bequemer Seitenlage, mit weißer Toga und weinlaubbe­kränzter Stirn auf dem Ruhesofa liegt, den Becher nachdenkli­ch in der Hand dreht und schließlic­h ein 1:1 vor- schlägt. Das ist das übliche Mischverhä­ltnis eines Weißen G’spritzten: eine Hälfte Wasser, eine Hälfte Grüner Veltliner.

Wobei wir die Worte „Weißen“und „Grüner“sofort mit dem Ausdruck des lebhaftest­en Bedauerns zurückzieh­en. Denn die Wiener Verkehrsbe­triebe sind gerade in des Teufels Küche geraten, weil sie auf Plakaten jene Fahrgäste, die in der U-Bahn stinkende Speisen zu sich nehmen, als schwarze Schafe abgebildet haben. Das sei rassistisc­h, lautete sofort die Kritik. Nämlich das „schwarze“.

Man lernt, dass Farbbezeic­hnungen allesamt politisch unkorrekt sind. Man sollte also nur noch Wälder Kirschtort­e essen und im Pongau den Bahnhof Ach-St. Veit benutzen. Aber wie soll man künftig den Grünen vom Roten Veltliner unterschei­den? Dazu wird man wohl ein Symposion einberufen müssen.

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Alexander Purger

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