Österreich sucht die Bürgermeisterin
Frauen, die Gemeinden leiten, sind in Österreich rar gesät. Einmal im Jahr treffen sie sich daher zum Gedankenaustausch. Heuer waren erstmals Bürgermeisterinnen aus anderen europäischen Ländern dabei.
„Passt’s auf!“, ruft eine Bürgermeisterin in St. Ulrich am Pillersee in Tirol, als alle für das Gruppenfoto die Straße überqueren müssen. „Sonst werden wir noch weniger, als wir schon sind!“Besser könnte man den Hintergrund des ersten europäischen Treffens deutschsprachiger Bürgermeisterinnen nicht umschreiben, das am Montag begann und bis Mittwoch dauert. Denn der Anteil von Frauen in kommunalen Führungspositionen ist in der EU eher gering. In Deutschland liegt der Anteil der Bürgermeisterinnen bei 9,6 Prozent, in Luxemburg bei rund 12,4 Prozent. Da nimmt sich Österreich mit lediglich 7,7 Prozent eher bescheiden aus. In absoluten Zahlen heißt das: 161 der insgesamt 2098 österreichischen Gemeinden werden von Frauen geführt. Was Gemeindebundpräsident Alfred Riedl in seiner Begrüßungsrede am Montag so kommentiert: „Da ist noch Luft nach oben.“Zu dem Treffen kamen 75 Bürgermeisterinnen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Südtirol und Luxemburg.
Dennoch: Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Das weiß auch Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher (ÖVP). Sie ist seit dem Jahr 2004 Ortschefin von Stuhlfelden im Pinzgau. „Als ich zur Wahl angetreten bin, gab es in Salzburg keine einzige Bürgermeisterin.“Heute sind sie immerhin an einer Hand abzuzählen – fünf Ortschefinnen finden sich im Bundesland Salzburg. Österreichweit ist Salzburg aber immer noch Schlusslicht. Ottenbacher war es auch, die 2007 das erste Treffen der Bürgermeisterinnen ins Leben rief. „Damals gab es österreichweit 78. Innerhalb von elf Jahren sind wir schon auf 161 angewachsen.“Ihr sei damals wichtig gewesen, nach außen hin zu zeigen, dass es viele Frauen gebe, „die diese Aufgabe gern übernehmen“.
Zu Gast war am Montag auch die deutsche Praxisforscherin Helga Lukoschat vom EAF Berlin (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft). Sie erklärt: Demokratie brauche Frauen. Sie seien nicht per se bessere Politiker, aber sie könnten wegen ihrer Orientierung auf mehrere Lebensbereiche und unterschiedlicher Lebenserfahrungen wichtige Impulse ein- bringen. Dies trage dazu bei, die Qualität politischer Entscheidungen zu verbessern. Um mehr Frauen dazu zu bewegen, in die Kommunalpolitik einzusteigen, brauche es unterschiedliche Lösungen, beispielsweise neue Zeitmodelle im Amt, Kinderbetreuung für Politikerinnen oder die bessere Planung von Sitzungen und Terminen sowie eine gemeinsame Interessensvertretung. „Es wäre schön, wenn von diesem ersten europäischen Treffen auch eine Resolution, ein Aufruf ausginge.“
Den zeitlichen Ablauf von Sitzungen zu straffen, haben Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher und ihre Amtskollegin Elisabeth Feichtinger (SPÖ) aus Altmünster bereits geschafft, wie sie in der Mittagspause erzählen. Feichtinger ist 30 Jahre alt und Österreichs jüngste Bürgermeisterin. Sie ist auch Abgeordnete zum Nationalrat. „Das Ziel ist bei uns, dass Gemeinderatssitzungen maximal eineinhalb Stunden dauern. Wir haben junge Mütter, die zu ihren Familien heim wollen. Wir fangen um 18.30 Uhr an, dann sind sie um 20 Uhr daheim. Darauf schauen wir bewusst.“Ottenbacher ergänzt: „Wenn die Sitzungen so lange dauern, dann bekommt man auch keine Leute mehr, die diese Ämter übernehmen.“
Ottenbacher weiß auch, dass viele Frauen Selbstzweifel plagen, wenn es um das Amt der Ortschefin geht. „Sie glauben, das geht nie. Da denkt man an die Punkte Bau, Budget, Finanzen, die Hardware eben. Aber im Endeffekt ist das Wesentliche – und das hat man auch – hervorragende Mitarbeiter. Die braucht jede Bürgermeisterin.“Feichtinger ergänzt: „Die braucht aber auch jeder Mann!“Die 30-Jährige hatte keine Selbstzweifel, als sie in die Politik ging. „Ich kam 2009 in den Gemeinderat und wollte in den Bau- und den Finanzausschuss. Da ist mir klargemacht worden: Jetzt fängst du mal beim Sozialausschuss an und dann reden wir weiter. Aber ich bin überall reingekommen. Man braucht Durchhaltevermögen.“Als sie sich im Jahr 2015 als Bürgermeisterkandidatin aufstellen ließ, trat sie gegen drei Männer an. Die Gemeinde war seit Jahrzehnten fest in der Hand der ÖVP. Aber Feichtinger schaffte es auf Anhieb in die Stichwahl, die sie mit mehr als 60 Prozent gewann. Daher rät sie allen Frauen, die überlegen, in die Politik zu gehen oder gar ein Bürgermeisteramt zu übernehmen: „Ich will ihnen den Mut zusprechen, es zu probieren. Es ist ja nicht tragisch, wenn man feststellt, dass es einem dann doch nicht taugt. Wir sind im 21. Jahrhundert, da verändern sich viele Dinge. Es ist nicht alles ewig und in Stein gemeißelt, wenn man es nie probiert, weiß man es nicht.“
Viele Bürgermeisterinnen erklären, wie wichtig der familiäre Rückhalt für ihr Amt sei. So ist es auch bei Feichtinger, deren Ehemann Gemeinderat ist. „Mein Mann ist Obmann des Sozial-, Familien- und Seniorenausschusses, weil es ihm gefällt. Wir sind ein gutes Team und haben Verständnis füreinander. Es gibt kein Gejammer, wenn man mal später heimkommt“, erklärt sie. Die beiden legten auch großen Wert darauf, gemeinsam so viele Termine wie möglich wahrzunehmen. Schon als Vizebürgermeisterin habe sie ihren Mann stets mitgenommen. „Jetzt fragen die Leute, ob er krank ist, wenn er mal nicht dabei sein kann.“Und dazu kommt: Er wird als First Husband tituliert.“
„Es ist nicht tragisch, wenn man feststellt, dass es einem doch nicht taugt.“