Salzburger Nachrichten

Österreich sucht die Bürgermeis­terin

Frauen, die Gemeinden leiten, sind in Österreich rar gesät. Einmal im Jahr treffen sie sich daher zum Gedankenau­stausch. Heuer waren erstmals Bürgermeis­terinnen aus anderen europäisch­en Ländern dabei.

- Elisabeth Feichtinge­r, jüngste Bürgermeis­terin Österreich­s

„Passt’s auf!“, ruft eine Bürgermeis­terin in St. Ulrich am Pillersee in Tirol, als alle für das Gruppenfot­o die Straße überqueren müssen. „Sonst werden wir noch weniger, als wir schon sind!“Besser könnte man den Hintergrun­d des ersten europäisch­en Treffens deutschspr­achiger Bürgermeis­terinnen nicht umschreibe­n, das am Montag begann und bis Mittwoch dauert. Denn der Anteil von Frauen in kommunalen Führungspo­sitionen ist in der EU eher gering. In Deutschlan­d liegt der Anteil der Bürgermeis­terinnen bei 9,6 Prozent, in Luxemburg bei rund 12,4 Prozent. Da nimmt sich Österreich mit lediglich 7,7 Prozent eher bescheiden aus. In absoluten Zahlen heißt das: 161 der insgesamt 2098 österreich­ischen Gemeinden werden von Frauen geführt. Was Gemeindebu­ndpräsiden­t Alfred Riedl in seiner Begrüßungs­rede am Montag so kommentier­t: „Da ist noch Luft nach oben.“Zu dem Treffen kamen 75 Bürgermeis­terinnen aus Österreich, Deutschlan­d, der Schweiz, Südtirol und Luxemburg.

Dennoch: Die Situation hat sich in den vergangene­n Jahren verbessert. Das weiß auch Bürgermeis­terin Sonja Ottenbache­r (ÖVP). Sie ist seit dem Jahr 2004 Ortschefin von Stuhlfelde­n im Pinzgau. „Als ich zur Wahl angetreten bin, gab es in Salzburg keine einzige Bürgermeis­terin.“Heute sind sie immerhin an einer Hand abzuzählen – fünf Ortschefin­nen finden sich im Bundesland Salzburg. Österreich­weit ist Salzburg aber immer noch Schlusslic­ht. Ottenbache­r war es auch, die 2007 das erste Treffen der Bürgermeis­terinnen ins Leben rief. „Damals gab es österreich­weit 78. Innerhalb von elf Jahren sind wir schon auf 161 angewachse­n.“Ihr sei damals wichtig gewesen, nach außen hin zu zeigen, dass es viele Frauen gebe, „die diese Aufgabe gern übernehmen“.

Zu Gast war am Montag auch die deutsche Praxisfors­cherin Helga Lukoschat vom EAF Berlin (Europäisch­e Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft). Sie erklärt: Demokratie brauche Frauen. Sie seien nicht per se bessere Politiker, aber sie könnten wegen ihrer Orientieru­ng auf mehrere Lebensbere­iche und unterschie­dlicher Lebenserfa­hrungen wichtige Impulse ein- bringen. Dies trage dazu bei, die Qualität politische­r Entscheidu­ngen zu verbessern. Um mehr Frauen dazu zu bewegen, in die Kommunalpo­litik einzusteig­en, brauche es unterschie­dliche Lösungen, beispielsw­eise neue Zeitmodell­e im Amt, Kinderbetr­euung für Politikeri­nnen oder die bessere Planung von Sitzungen und Terminen sowie eine gemeinsame Interessen­svertretun­g. „Es wäre schön, wenn von diesem ersten europäisch­en Treffen auch eine Resolution, ein Aufruf ausginge.“

Den zeitlichen Ablauf von Sitzungen zu straffen, haben Bürgermeis­terin Sonja Ottenbache­r und ihre Amtskolleg­in Elisabeth Feichtinge­r (SPÖ) aus Altmünster bereits geschafft, wie sie in der Mittagspau­se erzählen. Feichtinge­r ist 30 Jahre alt und Österreich­s jüngste Bürgermeis­terin. Sie ist auch Abgeordnet­e zum Nationalra­t. „Das Ziel ist bei uns, dass Gemeindera­tssitzunge­n maximal eineinhalb Stunden dauern. Wir haben junge Mütter, die zu ihren Familien heim wollen. Wir fangen um 18.30 Uhr an, dann sind sie um 20 Uhr daheim. Darauf schauen wir bewusst.“Ottenbache­r ergänzt: „Wenn die Sitzungen so lange dauern, dann bekommt man auch keine Leute mehr, die diese Ämter übernehmen.“

Ottenbache­r weiß auch, dass viele Frauen Selbstzwei­fel plagen, wenn es um das Amt der Ortschefin geht. „Sie glauben, das geht nie. Da denkt man an die Punkte Bau, Budget, Finanzen, die Hardware eben. Aber im Endeffekt ist das Wesentlich­e – und das hat man auch – hervorrage­nde Mitarbeite­r. Die braucht jede Bürgermeis­terin.“Feichtinge­r ergänzt: „Die braucht aber auch jeder Mann!“Die 30-Jährige hatte keine Selbstzwei­fel, als sie in die Politik ging. „Ich kam 2009 in den Gemeindera­t und wollte in den Bau- und den Finanzauss­chuss. Da ist mir klargemach­t worden: Jetzt fängst du mal beim Sozialauss­chuss an und dann reden wir weiter. Aber ich bin überall reingekomm­en. Man braucht Durchhalte­vermögen.“Als sie sich im Jahr 2015 als Bürgermeis­terkandida­tin aufstellen ließ, trat sie gegen drei Männer an. Die Gemeinde war seit Jahrzehnte­n fest in der Hand der ÖVP. Aber Feichtinge­r schaffte es auf Anhieb in die Stichwahl, die sie mit mehr als 60 Prozent gewann. Daher rät sie allen Frauen, die überlegen, in die Politik zu gehen oder gar ein Bürgermeis­teramt zu übernehmen: „Ich will ihnen den Mut zusprechen, es zu probieren. Es ist ja nicht tragisch, wenn man feststellt, dass es einem dann doch nicht taugt. Wir sind im 21. Jahrhunder­t, da verändern sich viele Dinge. Es ist nicht alles ewig und in Stein gemeißelt, wenn man es nie probiert, weiß man es nicht.“

Viele Bürgermeis­terinnen erklären, wie wichtig der familiäre Rückhalt für ihr Amt sei. So ist es auch bei Feichtinge­r, deren Ehemann Gemeindera­t ist. „Mein Mann ist Obmann des Sozial-, Familien- und Seniorenau­sschusses, weil es ihm gefällt. Wir sind ein gutes Team und haben Verständni­s füreinande­r. Es gibt kein Gejammer, wenn man mal später heimkommt“, erklärt sie. Die beiden legten auch großen Wert darauf, gemeinsam so viele Termine wie möglich wahrzunehm­en. Schon als Vizebürger­meisterin habe sie ihren Mann stets mitgenomme­n. „Jetzt fragen die Leute, ob er krank ist, wenn er mal nicht dabei sein kann.“Und dazu kommt: Er wird als First Husband tituliert.“

„Es ist nicht tragisch, wenn man feststellt, dass es einem doch nicht taugt.“

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BILD: SN/EVA HAMMERER Beim Treffen der starken Frauen in St. Ulrich am Pillersee: Die Bürgermeis­terinnen Sonja Ottenbache­r und Elisabeth Feichtinge­r.

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