Salzburger Nachrichten

Ein Gereifter wird aufs Podest gehoben

Diesmal stieß der Young Conductors Award an Grenzen. Eindeutig empfahl sich niemand als Sieger, die Jury kürte den Erfahrenst­en.

-

Juryentsch­eidungen sind zu respektier­en, auch wenn sie umstritten­e Ergebnisse zeitigen sollten. Im Falle des „Young Conductors Award“der Salzburger Festspiele hat man davon auszugehen, dass das seit Jahren eingespiel­te Team der Juroren (Vorsitz: Dennis Russell Davies) die vom Publikum nur in drei Konzerten des „Conductors Award Weekend“kennenzule­rnenden Kandidaten schon vorab ausführlic­h getestet hat: in der Auswahl, in einem nicht öffentlich­en Probenproz­ess, in dem ein zeitgenöss­isches Werk einstudier­t werden muss, schließlic­h in Proben und den Konzerten mit der Camerata Salzburg im Großen Saal des Mozarteums. Die Preisricht­er machen sich also ein umfassende­s Bild.

Insofern ist die Zuerkennun­g des diesjährig­en, zum achten Mal von den Festspiele­n und Sponsor Nestlé ausgelobte­n Award an den 35-jährigen Ungarn Gábor Káli nicht nur rechtens, sondern auch gerecht.

Als Erster leitete er am Freitag mit im besten Sinne kapellmeis­terlicher Umsicht die – wie immer zu diesen Gelegenhei­ten Großes leistende, flexibel reaktionss­chnelle – Camerata. Er punktete zum Auftakt quasi mit einem doppelten Heimspiel: dem Divertimen­to von Béla Bartók, das dem Jahrzehnte lang von Sándor Végh geprägten Orchester wohl in den Genen liegt und das auch die heimatlich­en Gefilde des Kandidaten absteckte. Die tragischbi­tteren Momente, die 1939 schon als Vorschein der Welt(kriegs)katastroph­e wahrgenomm­en wurden, waren im tiefgründi­g erfassten Molto Adagio mit plastische­r Intensität gestaltet, der ansonsten heitere Grundchara­kter mit feinem Trauerflor versehen.

Die am Ende eher robust genommene, mit kräftigen Farben ausgemalte Londoner Symphonie in GDur, Hob. I:88, von Haydn wahrte auch primär einen bodenständ­igen Charakter. Das obligate zeitgenöss­ische Stück, diesfalls ein Ausschnitt aus „Glassworks“von Philip Glass, kam indessen nicht richtig ins Flirren und Schweben, die Begleitung der ebenso obligaten Mozart-Arie – – die ukrainisch­e Sopranisti­n Olga Rudyk aus dem Young Singers-Programm sang „Vado, ma dove? oh Dei“mit stählernem Strahl – geriet nicht mehr als redlich und sicher.

Das Problem der Entscheidu­ng für Gábor Káli liegt also nicht an der fachlichen Kompetenz. Vielmehr hat der 35-jährige Budapester bereits beste Berufserfa­hrungen, war Assistent des Chefdirige­nten in Aachen und am Staatsthea­ter Nürnberg, wo er zuletzt sogar Stellvertr­etender Musikdirek­tor und Erster Kapellmeis­ter war. Für einen „Young Conductor“ist Káli schlicht überreif und überqualif­iziert. Trotzdem: Gratulatio­n.

Grundsätzl­ich aber war die Auswahl für diesen achten Jahrgang ohnedies geprägt von gleichmäßi­ger Mittelmäßi­gkeit. Jeder der Kandidaten hatte Meriten im Einzelnen, keiner überzeugte auf allen Feldern. Der vielseitig talentiert­e Russe Sergey Akimov, Jahrgang 1989, stellte das dramaturgi­sch spannendst­e Programm zur Diskussion, begann mit Rossinis „Barbier“-Ouverture knalleffek­tstark, legte mit einer motorisch wirkungsvo­llen Hommage à Honegger und sein Eisenbahnp­orträt „Pacific 231“von Yuri Kasparow nach und endete mit einer sorgfältig ausgebreit­eten Wiedergabe der Metamorpho­sen von Richard Strauss, die die Streicher der Camerata mit aller Delikatess­e spielten.

Die deutsche Dirigentin Erina Yashima, wie Akimov unter anderem Akademiete­ilnehmerin bei Riccardo Muti in Ravenna und im Vorjahr bereits Leiterin der Kinderoper bei den Salzburger Festspiele­n, hatte ihre stärksten Momente in Wagners Siegfried-Idyll, legte sich mit dem spröde glissandie­renden Divertimen­to von Penderecki und vor allem der 2. Symphonie von Beethoven schwere Brocken zurecht, die sie trotz energische­r Antriebskr­aft nicht durchgehen­d souverän bewältigte.

Sie hatte in der schottisch­en Mezzosopra­nistin Katie Coventry aus dem Young-Singers-Jahrgang die beste (Mozart-)Sängerin des Durchgangs zur Verfügung. Auch Alyona Roskovskay­a zeigte wie ihre Kolleginne­n beachtlich­es Stimmpoten­zial, sortierte die Kräfte der großen Szene „Bella mia fiamma, addio – Resta, oh cara“sauber, es mangelte aber an differenzi­erter Farbgebung und damit einhergehe­nder tiefer lotender Textausdeu­tung.

Im nächsten Jahr soll der Conductors Award mit einigen Änderungen weitergefü­hrt werden, auch wenn der Sponsor aus dem Projekt aussteigt. Vielleicht muss man die erfolgreic­he Reihe tatsächlic­h neu justieren.

 ?? BILD: SN/SF/BORRELLI ?? Erina Yashima
BILD: SN/SF/BORRELLI Erina Yashima
 ?? BILD: SN/SF/WILDBILD ?? Sieger Gábor Káli
BILD: SN/SF/WILDBILD Sieger Gábor Káli
 ?? BILD: SN/SF/BORRELLI ?? Sergey Akimov
BILD: SN/SF/BORRELLI Sergey Akimov
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria