RSO und Kerem Hasan: Der Sieger geht nicht leer aus
Bei den CDs, die am Verkaufsstand im Foyer auflagen, war sein Name vorerst noch nicht zu entdecken. Das wird sich bald ändern: Nicht nur, weil Kerem Hasan 2017 den „Young Conductors Award“(YCA) bei den Salzburger Festspielen gewonnen hat und eine Veröffentlichung des Siegerkonzertes in der Reihe der „Festspieldokumente“zum Preis gehört. Darüber hinaus bescheinigte der Juryvorsitzende Dennis Russell Davies dem jungen britischen Dirigenten im Vorjahr bereits alles nötige Selbstvertrauen und Talent, „also die besten Voraussetzungen für eine internationale Karriere“. Ein Jahr danach konnte der 26-jährige Hasan nun beim Preisträgerkonzert unter Beweis stellen, dass die Erwartungen der Jury nicht zu hoch waren: In der Felsenreitschule trat er als Dirigent des in allen Lagen souveränen ORFRadio-Symphonieorchesters (RSO) auf. Dass sich ein Preisträger nicht zwingend in den Vordergrund spielen muss, zeigte die Programmwahl. Der erste Teil – mit dem Violinkonzert in d-Moll op. 47 von Jean Sibelius – gehörte vor allem dem Solisten Augustin Hadelich. Nach seinem präzisen, unsentimentalen Zugriff auf das spätromantisch gefärbte Werk und nach der bravourösen Interpretation des virtuosen Schlusssatzes wurde er gleich mehrmals mit viel Jubel aufs Podium zurückgeholt. Das Publikum forderte die einzige Zugabe des Abends (aus Paganinis Capricen) bereits vor der Pause stürmisch ein.
Danach jedoch hatte Kerem Hasan die Bühne und das RSO für sich allein. Hatte sich bei Sibelius zu Beginn noch fallweise der Eindruck eines freundlichen Nebeneinanders von Solist und Klangkörper ergeben, so setzte der Dirigent bei Dmitri Schostakowitschs 10. Symphonie auf konzentrierte Geschlossenheit.
Mit der Symphonie lässt sich Effekt machen: Der russische Komponist, der vom Stalin-Regime zeitweise mundtot gemacht worden war, schrieb sie nach dem Tod des Diktators als Werk der Aufarbeitung und als Symbol des persönlichen Triumphes über die Unterdrückungsmaschinerie. Bedrohlich gut ließ das RSO unter Hasans Leitung zu Beginn den Klang der tiefen Streicher anschwellen, intensiv im zweiten Satz die martialischen Marschrhythmen aufblitzen. Während bei Sibelius der Orchesterklang in leisen Passagen besser differenziert gewirkt hatte als in den lauten, klang die Balance zwischen Streichern und Bläsern, dem großen Ganzen und den solistischen Stimmen, hier in allen Lagen ausgewogen, die Dynamik genau dosiert. „Zeit mit Schostakowitsch“hieß zwar schon im Vorjahr eine Festspielreihe, die sich dem Komponisten widmete. Aber auch am Sonntag war die Zeit bis zum spannungsvollen Finale gut investiert. Nach dem Vorjahressieg holte sich Hasan in Salzburg neuerlich Lorbeeren.