„Da redet kein Sponsor hinein“
Warum wagen die Salzburger Festspiele keine Wiederaufnahmen? Wie groß ist der Einfluss von Sponsoren? Markus Hinterhäuser erwidert auf Kritik von Ioan Holender.
„Es wäre ein Jammer, wenn die Salzburger Festspiele eine Oper wie ,Pique Dame‘ nicht mindestens einen weiteren Sommer lang spielten“, sagt Ioan Holender. Der einstige Direktor der Wiener Staatsoper hat für ServusTV die Entstehung dieser Neuinszenierung begleitet und stellt fest: Die Arbeitsbedingungen seien in Salzburg ideal, Dirigent Mariss Jansons und Regisseur Hans Neuenfels hätten exzellent zusammengearbeitet, die Ausstattung sei aufwendig. „Aber ich frage mich: Was geschieht mit diesem Meisterwerk? Wird es vernichtet?“Und: „Was passiert mit der ,Salome‘ nach sieben Aufführungen? Wohin ist der ,Wozzeck‘ von William Kentridge aus dem Vorjahr?“
„Wozzeck“zog in die Welt – als Koproduktion mit der New Yorker Met und der Oper in Toronto. Doch verschwunden oder vernichtet sind viele kostspielige Neuproduktionen – wie „Liebe der Danae“, „Dreigroschenoper“oder der gesamte von Alexander Pereira und Sven-Eric Bechtolf umgesetzte Da-Ponte-Zyklus.
Ioan Holender hegt eine Vermutung: „Offenbar ist in Salzburg die Dominanz der Sponsoren so groß, dass man sich deren Wunsch beugt, jedes Jahr nur Neues zu zeigen.“Früher seien Operninszenierungen zwei, drei Jahre gespielt worden, eine gelungene „Zauberflöte“(jene von Jean-Pierre Ponnelle 1978 bis 1986) sogar neun Jahre.
Er könne sich den Wandel nicht anders erklären als: „Die Sponsoren wollen jedes Jahr etwas Neues“, warnt Holender. Einen derartigen Einfluss auf den Spielplan – auch noch ohne inhaltliche Vorgaben – „halte ich für viel zu groß“. Er spricht sogar von „pekuniärer Diktatur“.
Dies weist Intendant Markus Hinterhäuser zurück: „Die Sponsoren nehmen überhaupt keinen Einfluss!“Einen solchen Fehler mache kein Sponsor der Salzburger Festspiele. Den Spielplan gestalte allein er als Intendant mit dem Direktorium. „Da redet kein Sponsor hinein.“
Dass in den ersten beiden Saisonen seiner Intendanz jede Oper neu hergestellt worden sei, erklärt Markus Hinterhäuser so: „Ich habe wenig Spielraum.“Viele Produktionen aus der Zeit von Alexander Pereira seien an die Scala verkauft worden. Andere seien an Koproduktionspartner gegangen – wie „Titus“2017 nach Amsterdam und Berlin.
Er sei „ein großer Freund von Wiederaufnahmen“, sagt Markus Hinterhäuser. Die heurige „Pique Dame“sei tatsächlich „für eine Wiederaufnahme prädestiniert“– ebenso wie „Salome“. „Wir arbeiten daran“; bis 2020 und 2021 sei noch genug Zeit, derart gelungene Produktionen wieder aufzunehmen.
Warum nicht schon für 2019? Dieses Programm sei – wegen langer Vorlaufzeit in der Oper – weitgehend gemacht. Zudem wolle er behutsam vorgehen, also erst das Resultat einer Produktion abwarten. Dazu wolle er den beteiligten Künstlern auch noch in den letzten, entscheidenden Probenwochen Freiraum lassen, um erst dann „Kraft und Ausstrahlung“des Ergebnisses sowie das Interesse des Publikums zu beurteilen. „Da kann ich nicht von vornherein sagen: Das ist eine sichere Bank.“Für „Salome“und „Pique Dame“sei allerdings mittlerweile „vollkommen klar, dass die wieder gespielt werden können“.
Über 2021 hinaus könne er nicht planen, da bis dahin sein Fünf-Jahres-Vertrag laufe. Wäre er zur Verlängerung bereit? Als Antwort berief sich Markus Hinterhäuser auf Robert Musil: „Es ist die Wirklichkeit, welche die Möglichkeiten weckt.“Aus seiner Sicht wäre eine Vertragsverlängerung möglich, doch „die Wirklichkeit liegt in der Entscheidung des Kuratoriums“.
Noch eine Entwicklung sieht Ioan Holender kritisch: Es sei erfreulich, welcher Karriereschub der Sängerin Asmik Grigorian als Salome gelinge. Dies sei ein Beispiel, wie „hier in Salzburg große Namen entstanden sind“– wie Anna Netrebko 2002 als Donna Anna in „Don Giovanni“. Zwar sei dafür die sängerische Leistung entscheidend, doch der „große Name“entstehe nicht allein aus eigener Kraft, sondern auch dank des Umfelds von Salzburger Festspielen oder Wiener Staatsoper. Es sei „traurig, kunstunfreundlich, ja, sogar desavouierend“, wenn die zu Weltstars gewordenen Sänger – im Range von Jonas Kaufmann, Anna Netrebko oder Elīna Garanča – an Orten ihrer Entdeckungen kaum an mehrwöchigen Proben teilnähmen, um in Opern aufzutreten, sagt Ioan Holender. Warum kommt es dazu? Offenbar böten andere Veranstalter für einzelne Auftritte – sei es in Südamerika, Oman oder Abu Dhabi – ein Mehrfaches an Gage. So sei es halt: „Geld regiert die Welt.“
Darauf erwidert Hinterhäuser: Diese Art von Gagendruck spüre er nicht, obwohl nicht von der Hand zu weisen sei, dass „andere Veranstalter mit anderen Zahlen operieren“. Anspruchsvoll sei allerdings, dass die Salzburger Festspiele in der Ferienzeit stattfänden. Wer hier in einer Oper mitwirke, müsse den ganzen Juli und den ganzen August zur Verfügung stehen. „Das ist nicht so leicht.“Daher brauche es „einiges an Überzeugungsarbeit“, um Künstler hierher zu verführen.
Asmik Grigorian sei „von der ersten Probenminute bis zum letzten Akkord der Aufführung“präsent. Nur mit solcher Bereitschaft – dafür lobt er auch Franz Welser-Möst – kämen „wunderbare Konstellationen“zustande; nur so entstehe, was er unter „Musiktheater“verstehe.
„Was geschieht mit diesem Meisterwerk? Wird es vernichtet?“