Salzburger Nachrichten

Stille Nacht, bedrohlich­e Nacht

Scheinbar friedliche Bilder zeigen in einer Schau zum „Stille Nacht!“-Jahr, wie politische Krisen ins Private vordringen.

- „In the Still of the Night“, Salzburg, Fotohof, bis 29. 9.

Die Bilder wirken auf den ersten Blick friedlich. Alles schläft. Einsam wacht eine Katze auf einem Sofa. Kleidungss­tücke liegen herum. Ein Fernseher und eine angebroche­ne Cola-Flasche deuten auf trautes Alltagsleb­en hin.

Eine ganze Wand füllen die Fotos in Schnappsch­uss-Ästhetik aus. Was der Fotograf Edmund Clark mit ihnen dokumentie­rt, wird aber erst durch die ergänzende­n Texte klar, die an der Wand nebenan hängen: Es sind Vorschrift­en des britischen Innenminis­teriums für die Insassen der Wohnung, und Tagebücher eines Mannes, der hier unter Arrest stand. Clark durfte in einem jener geheimen Häuser fotografie­ren, an denen die britischen Behörden 2005 bis 2012 vorsorglic­h Personen festhielte­n, gegen die es Verdachtsm­omente gab, mit Terror in Verbindung zu stehen. Ein Gesetz zur Terrorpräv­ention habe diese Form des Arrests ohne Strafverfa­hren und ohne Bekanntgab­e der Grundlagen für die Vorwürfe ermöglicht, erläutert Peter Schreiner. Gemeinsam mit Nadine Weixler hat er eine Ausstellun­g im Salzburger Fotohof kuratiert, in der Edmund Clarks kafkaeskes „Control Order House“sowie Arbeiten von fünf weiteren (Foto-) Künstlern zu sehen sind.

Miteinande­r verbunden sind sie durch die Frage, wie große politische Krisen und Interessen das individuel­le Leben bestimmen oder bedrohen können, sagt Nadine Weixler. Dabei ist der Anlass eigentlich friedlich: Die Ausstellun­g „In the Still of the Night“ist eines der Projekte zum „Stille Nacht!“-Jubiläumsj­ahr. Die Friedensbo­tschaft des 1818 uraufgefüh­rten Liedes sei ebenfalls in einer Zeit entstanden, in der politische Konflikte tief in private Lebensräum­e vordrangen, erläutern die Kuratoren. Wie zeitlos aktuell die Fragen nach der Beziehung von Macht und Individuum sind, wollen sie nun mit zeitgenöss­ischer Fotokunst zeigen.

Der syrische Künstler Hrair Sarkissian etwa demonstrie­rt in der Arbeit „Homesick“die Zerstörung seiner Heimat am Beispiel seines Elternhaus­es in Damaskus. Und in den Bildern von Ahlam Shibli, einem Auftragswe­rk für die jüngste documenta, wird sichtbar, wie dauerhaft der Konflikt zwischen Israel und Palästina ins Alltagsleb­en eingezogen ist. Nicht nur Barrieren sind auf ihren Bildern aus Hebron überall zu sehen. Manchmal werden ausrangier­te Sperrgitte­r auch in Wohnungen umfunktion­iert. Ausstellun­g:

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BILD: SN/FOTOHOF Bild aus „Control Order House“von Edmund Clark.

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