Linz übt Rechtsabbiegen bei Rot
Nun auch in Österreich: An drei Kreuzungen soll ein Jahr lang Rechtsabbiegen bei roter Ampel getestet werden. Die Beteiligung der TU Wien an dem Projekt ist allerdings nicht unumstritten.
WIEN, LINZ. Nach der Freigabe des Pannenstreifens auf der Ostautobahn (A4) und zwei Teststrecken für Tempo 140 auf der Westautobahn (A1) hat Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Dienstag sein nächstes Pilotprojekt präsentiert: Rechtsabbiegen bei Rot. Für die Einführung bedürfe es noch gesetzlicher Justierungen in der Straßenverkehrsordnung. Aber den Start hat Hofer bereits mit 1. Jänner 2019 datiert. Polarisierende Wirkung hat die Neuerung allerdings schon jetzt.
Für das einjährige Testprojekt hat sich die Stadt Linz zur Verfügung gestellt. An drei Kreuzungen wird es ab Jahresbeginn möglich sein, auch bei roter Ampel rechts abzubiegen: Weißenwolffstraße/Garnisonstraße/Derfflingerstraße/Nietzschestraße, Wiener Straße/Ennsfeldstraße sowie Dornacher Straße/Johann-Wilhelm-Klein-Straße.
„Wir wollen nicht, dass Autos stehen. Autos sollen fahren“, betonte Hofer. Doch die Ausschlusskriterien sind streng. Gleich elf hat Verkehrswissenschafter Harald Frey von der TU Wien ausgearbeitet. Darunter: Verbot für Rechtsabbiegen bei Rot in der Nähe von Schulwegen. Oder bei Straßen, auf denen mehr als 50 km/h gefahren werden dürfen. Oder wenn man Gleise kreuzen muss.
Dass sich das Verkehrsministerium die TU Wien als wissenschaftlichen Begleiter ins Boot geholt hat, ist nicht unumstritten. Denn das Honorar beträgt exakt 99.750 Euro. 250 Euro mehr und man hätte den Auftrag öffentlich ausschreiben müssen. Hofer stellte sich diesbezüglich am Dienstag der Kritik: „Ich wollte, dass die TU diesen Auftrag bekommt. Und ich bin dankbar, dass sie das um diesen Betrag macht.“
2230 Ampeln gibt es laut Hofer in den neun heimischen Landeshauptstädten. Wie viel davon geeignet sind, kann auch Harald Frey von der TU Wien nicht abschätzen: „Wie groß das Potenzial ist, kann nicht genau bestimmt werden.“Doch das ist, so Hofer, auch gar nicht nötig: „Ich sehe das als Prozess, der von unten gestartet werden muss.“Soll heißen: Ist ein Bürgermeister der Ansicht, in seiner Gemeinde wäre eine Ampel samt Kreuzung für den Testbetrieb geeignet, könne er sich gern melden.
Vom Verkehrsminister gab es auch einen Seitenhieb auf die Bundeshauptstadt: „Wien hat sich gemeinsam mit Professor Hermann Knoflacher dazu entschieden, das tägliche Weiterkommen mit dem Auto zu erschweren. Wir wollen da einen anderen Weg gehen.“
Verkehrsplaner Knoflacher, ebenfalls von der TU Wien, allerdings schon emeritiert, reagierte gelassen: „Hofer hat nichts verstanden. Wir haben in Wien sehr wenig Stau, und das kommt daher, weil wir eine zukunftsfähige Verkehrspolitik betreiben.“Aber es sei „ganz gut, dass Hofer das Geld nicht nur in die Industrie steckt, sondern auch in die Forschung“.
Zurückhaltend positiv auf die Neuerung reagierte der ÖAMTC. „Es ist prinzipiell zu begrüßen, dass wir endlich ausprobieren, worüber die Leute seit 30 Jahren reden“, sagt Chefjurist Martin Hoffer. „Aber so neu ist das ja nicht.“Hoffer verweist auf die grün leuchtenden Pfeile, die schon seit Langem das Abbiegen bei roter Ampel erlauben. „Ob sich das Projekt auszahlt, da bin ich etwas skeptisch.“Mit dem Urvorbild, den USA, wo Rechtsabbiegen bei Rot seit vielen Jahrzehnten erlaubt ist, will Hoffer keine Vergleiche ziehen: „Das ist ein völlig anderes Verkehrssystem.“Sein Fazit: „Rotlicht sollte aus unserer Sicht auch Stopp bedeuten.“Doch man wolle das Ergebnis abwarten und sei „nicht grundsätzlich“dagegen.
Für Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit ist Hofers Versuch „der richtige Weg“. „Man muss sich das genau anschauen, um die Folgen zu antizipieren. Es dürfen weder Sicherheit noch Verkehrsfluss oder Umwelt leiden. Wenn dies gelingt, kann man es ausdehnen. Das wird aber noch eine Weile dauern.“