Der Tänzer vor dem Postautomaten
In jedem von uns schlummern Talent und Unvermögen.
Für Technik hab ich eigentlich ein gutes Händchen. Software bringt mich nicht zum Absturz und Maschinen treiben mich nicht in die Verzweiflung. Bis auf eine: der Paketautomat auf der Post. Keine unserer Begegnungen lief bisher friktionsfrei. Bisweilen komme ich mir vor wie Polizeipräsident h. c. Heribert Pilch aus „Kottan“im Kampf mit dem Kaffeeautomaten.
Unlängst war es wieder so weit. Ich wollte ein Paket versenden, doch der Automat verweigerte wie immer die Annahme. Strichcode nicht lesbar, war am Display zu lesen. Ich versuchte es gut zehn Mal. Keine Chance.
So wandte ich mich an den Postmeister in der Hoffnung, dass der, vom Rationalisierungswahn zermürbt, froh ist, dem Automaten Arbeit abnehmen zu dürfen. Doch der freundliche Herr meinte nur, dass zwei Codes aufgedruckt seien und ich den falschen abdecken möge. Dann würde der Automat schon wollen.
Wieder zurück an der Maschine versuchte ich es, mit der Hand ungelenk einen Code abdeckend, wieder und wieder – ohne Erfolg. Vielleicht war das Etikett schlecht ausgedruckt, die Linien des Strichcodes zu verschwommen, das Papier zu grell? Es klappte einfach nicht.
So ging ich erneut zum Schalter in der Hoffnung, dass der nette Herr jetzt seine Chance ergreift und die Handarbeit vor die Automatenabfertigung stellt. Doch stattdessen schlug er mir die Wette vor, dass er es aufs erste Mal schaffen würde, das Paket aufzugeben.
Was dann geschah, war ein Schauspiel, das seinesgleichen sucht. Sein linker Zeigefinger betätigte mit einer Geste zwischen freundschaftlichem Anstupsen und vehementem Fin- gerzeig den Startknopf. Mit der Rechten zog er das Paket, einen großen Bogen beschreibend, zuerst über den Scanner, um in dem Moment, als der Automat den erfolgreichen Lesevorgang mit einem Piep quittierte, genau vor der Klappe zu sein, die er anhob, um das Paket sicher einzulochen. Mir blieb vor Staunen der Mund offen, während er elegant die Klappe schloss, um das Schauspiel zu beenden.
Warum ein derartig talentierter Mensch seinen Job so leichtfertig aufs Spiel setzt, indem er einem Automaten zuarbeitet, bringt mich bis heute ins Grübeln. Doch mit dieser tänzerischen Begabung sehen wir den Mann wahrscheinlich ohnehin schon bald auf der Bühne und nicht mehr hinter der Budl.