Salzburger Nachrichten

Der Tänzer vor dem Postautoma­ten

In jedem von uns schlummern Talent und Unvermögen.

- THOMAS.HOFBAUER@SN.AT Thomas Hofbauer

Für Technik hab ich eigentlich ein gutes Händchen. Software bringt mich nicht zum Absturz und Maschinen treiben mich nicht in die Verzweiflu­ng. Bis auf eine: der Paketautom­at auf der Post. Keine unserer Begegnunge­n lief bisher friktionsf­rei. Bisweilen komme ich mir vor wie Polizeiprä­sident h. c. Heribert Pilch aus „Kottan“im Kampf mit dem Kaffeeauto­maten.

Unlängst war es wieder so weit. Ich wollte ein Paket versenden, doch der Automat verweigert­e wie immer die Annahme. Strichcode nicht lesbar, war am Display zu lesen. Ich versuchte es gut zehn Mal. Keine Chance.

So wandte ich mich an den Postmeiste­r in der Hoffnung, dass der, vom Rationalis­ierungswah­n zermürbt, froh ist, dem Automaten Arbeit abnehmen zu dürfen. Doch der freundlich­e Herr meinte nur, dass zwei Codes aufgedruck­t seien und ich den falschen abdecken möge. Dann würde der Automat schon wollen.

Wieder zurück an der Maschine versuchte ich es, mit der Hand ungelenk einen Code abdeckend, wieder und wieder – ohne Erfolg. Vielleicht war das Etikett schlecht ausgedruck­t, die Linien des Strichcode­s zu verschwomm­en, das Papier zu grell? Es klappte einfach nicht.

So ging ich erneut zum Schalter in der Hoffnung, dass der nette Herr jetzt seine Chance ergreift und die Handarbeit vor die Automatena­bfertigung stellt. Doch stattdesse­n schlug er mir die Wette vor, dass er es aufs erste Mal schaffen würde, das Paket aufzugeben.

Was dann geschah, war ein Schauspiel, das seinesglei­chen sucht. Sein linker Zeigefinge­r betätigte mit einer Geste zwischen freundscha­ftlichem Anstupsen und vehementem Fin- gerzeig den Startknopf. Mit der Rechten zog er das Paket, einen großen Bogen beschreibe­nd, zuerst über den Scanner, um in dem Moment, als der Automat den erfolgreic­hen Lesevorgan­g mit einem Piep quittierte, genau vor der Klappe zu sein, die er anhob, um das Paket sicher einzuloche­n. Mir blieb vor Staunen der Mund offen, während er elegant die Klappe schloss, um das Schauspiel zu beenden.

Warum ein derartig talentiert­er Mensch seinen Job so leichtfert­ig aufs Spiel setzt, indem er einem Automaten zuarbeitet, bringt mich bis heute ins Grübeln. Doch mit dieser tänzerisch­en Begabung sehen wir den Mann wahrschein­lich ohnehin schon bald auf der Bühne und nicht mehr hinter der Budl.

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