Seelische Leiden oft verwandt
Forscher entdeckten eine genetische Verwandtschaft weitverbreiteter seelischer Erkrankungen des Gehirns wie Angststörungen oder Depressionen.
Seelische Leiden haben die unterschiedlichsten Auslöser, aber nicht selten sind sie miteinander verwandt. Genetisch. Das fand jetzt ein internationales Forschungsteam heraus. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, die Therapieoptionen für psychisch erkrankte Menschen zu verbreitern.
In der weltweiten Studie des internationalen „Brainstorm Consortiums“wurde zum ersten Mal das Genom (Erbgut) von 1,1 Millionen Patienten mit psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen analysiert. Die Forscher konnten dabei zeigen, dass zwischen bestimmten Erkrankungen des Gehirns genetische Beziehungen bestehen.
So korrelieren sehr deutlich psychiatrische Krankheiten wie Angststörungen und Depressionen miteinander. Aus Österreich war der Kinderund Jugendpsychiater Andreas Karwautz von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinuniversität Wien an der Studie beteiligt.
Die Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Magersucht (Anorexie), Depression oder Schizophrenie, wurde bisher vorwiegend anhand der Symptome vorgenommen. Das ergab jedoch zumeist auch eine gewisse Unschärfe. Denn viele Klassifikationen beschreiben das tatsächliche Krankheitsbild nicht ausreichend. Andreas Karwautz erklärt das: „Es gibt eben keine reine Depression oder reine Anorexie. Die Patienten weisen auch immer Symptome anderer psychischer Störungen auf.“ Eine Diagnose sollte daher immer vielschichtig und nicht eindimensional sein. Die Studie analysierte nun Daten zum Genom von 265.000 psychiatrischen und neurologischen Patienten sowie 785.000 gesunden Menschen. Untersucht wurde, ob Erkrankungen mit bestimmten genetischen Merkmalen zusammenhängen. Es wurden gemeinsame Erbanlagen von fünfzehn neurologischen und zehn psychiatrischen Erkrankungen überprüft.
Das zentrale Ergebnis: Es gibt bei einigen psychiatrischen Erkrankungen große genetische Gemeinsamkeiten, wodurch das Risiko sich erhöht, im Fall einer Krankheit auch an der entsprechend korrelierten zu erkranken. Das gilt für Schizophrenie, depressive Episoden, bipolare Störung, Angststörung und ADHS. Nicht aber für das Tourette-Syndrom und Autismus.
Depression und Angststörung wiederum sind genetisch eng verwandt, auch wenn die Symptome unterschiedlich sind. Dasselbe gilt für Magersucht und Zwangsstörung sowie für Schizophrenie und bipolare Störung.
Außerdem zeigte sich, dass es zwischen Migräne, ADHS, Tourette-Syndrom und depressiven Episoden eine Korrelation gibt. Die Studie zeigte also, dass es bei speziellen genetischen Anlagen zu Überlappungen kommen kann. Ebenso kann man anhand des Materials erkennen, dass genetisch korrelierende Erkrankungen, zum Beispiel Psychosen, ähnliche Symptome aufweisen, die sowohl bei Schizophrenie als auch bei Alzheimerdemenzen auftreten.