Salzburger Nachrichten

Unsere Demokratie muss wehrhaft sein

Keine Frustratio­n kann Gewalt rechtferti­gen. Wirklich demokratis­ch gesinnte Bürger treten friedlich für Wandel ein.

- Helmut L. Müller AUSSEN@SN.AT

Entsetzt zeigen sich die deutschen Politiker über die jüngsten Krawallere­ignisse in Chemnitz, und das völlig zu Recht. Die Vorfälle in der sächsische­n Stadt kann man nur abscheulic­h nennen: zuerst das Verbrechen an einem Einheimisc­hen, dann als Folge eine von Rechtsextr­emisten inszeniert­e Jagd auf Menschen angeblich ausländisc­hen Aussehens, angespornt vom Beifall „harmloser“Bürger und nicht ausreichen­d gehindert von der Polizei.

Aber überrascht müssen die deutschen Politiker deswegen nicht sein. Das ist kein einmaliger Fall. Übergriffe auf Migranten und Anschläge auf Flüchtling­sunterkünf­te gibt es in Deutschlan­d seit Jahren, vor allem im Osten, aber keineswegs nur dort. Je stärker die gesellscha­ftlichen Spannungen werden, desto mehr scheint die rassistisc­he Radikalisi­erung bei einem Teil der Bevölkerun­g zu wachsen.

Die verantwort­lichen Politiker in Deutschlan­d bekräftige­n jetzt, dass allein der Staat mit seinen Organen der Polizei und der Justiz für die innere Sicherheit zuständig sei. Diese einfache, jedoch essenziell­e und entscheide­nde Botschaft muss offenbar betont werden, weil das Selbstvers­tändliche nicht mehr gilt. In einem gewöhnlich sicheren Land vermag der demokratis­che Rechtsstaa­t sein Gewaltmono­pol nicht mehr überall und jederzeit durchzuset­zen.

Das beginnt damit, dass bei Protestanl­ässen trotz vorheriger Warnungen nicht genügend Polizeikrä­fte aufgeboten werden, um Gesetzesbr­üche möglichst zu verhindern. Das zeigt sich, wenn Rechtsextr­emisten mancherort­s den öffentlich­en Raum besetzen, gar von „national befreiten Zonen“schwafeln, sodass sich normale Bürger dort nicht mehr sicher fühlen. Das endet damit, dass in der Sphäre der asozialen Medien weiterhin Hass, Häme und Hetze wabern und wuchern dürfen.

Nur wenn die staatliche­n Institutio­nen so stark sind, dass sie konsequent Normen vorgeben und umsetzen, lässt sich aber der innere Frieden bewahren.

Falsch ist es daher, wenn sich die demokratis­che Politik – wie in Sachsen geschehen – nicht eindeutig gegen die Extremiste­n positionie­rt. Fatal ist es, wenn manche Polizeikrä­fte – wie in Sachsen – ihre Aufgabe nicht darin erblicken, dem Recht Geltung zu verschaffe­n, sondern das „Recht“auf der Seite der Straßenpöb­ler sehen, die sich selbst zum „Volk“ernennen. Unerträgli­ch ist es, wenn eine in Parlamente gewählte Partei wie die AfD unverhohle­n Sympathien für die Gewalttäte­r äußert, statt sich von diesen Verfassung­sfeinden klar abzugrenze­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria