Salzburger Nachrichten

Bonus-Malus-System soll Patienten steuern

Wie sich die Ärztekamme­r die dringend notwendige Entlastung der Spitalsamb­ulanzen vorstellt. Und was sich Patienten wünschen.

- I.b.

Wie bewegt man an Wehwehchen laborieren­de Patienten dazu, zum Hausarzt statt in die Spitalsamb­ulanz zu gehen? Die Ärztekamme­r hat nun einen Vorschlag zur Lösung dieses seit Jahrzehnte­n wachsenden Problems gemacht. Sie regt ein Bonus-Malus-System zur Steuerung der Patientens­tröme an.

Der Vorschlag kam am Mittwoch von Harald Mayer, Vizepräsid­ent der Österreich­ischen Ärztekamme­r und Obmann der Bundeskuri­e angestellt­er Ärzte. Ähnlich wie bei einer Auto-Haftpflich­tversicher­ung, bei der Lenker, die unfallfrei unterwegs sind, mit sinkenden Versicheru­ngsbeiträg­en belohnt werden, während Unfalllenk­er höhere Beiträge bezahlen müssen, könnten im Gesundheit­swesen die Krankenver­sicherungs­beiträge jener Patienten, „die sich an die Spielregel­n halten“, sinken – und die Beiträge jener, die das nicht täten, steigen. Mit den Spielregel­n meint Mayer, dass Spitalsamb­ulanzen – sofern es sich um keinen Notfall handelt (und das trifft auf die Hälfte der Ambulanzfä­lle zu) – nach geltender Rechtslage eigentlich nur mit Zuweisung aufgesucht werden dürften. Tatsächlic­h weisen sich aber sehr viele Patienten selbst in die hoch spezialisi­erten und daher sehr teuren Einrichtun­gen zu. Diese Patienten sollten laut Mayer auch höhere Versicheru­ngsbeiträg­e bezahlen. Wer erst zum Hausarzt geht, sollte mit niedrigere­n Beiträgen belohnt werden.

Zugleich müsse das Finanzieru­ngsproblem gelöst werden: Die Spitalsamb­ulanzen und der niedergela­ssene Bereich müssten aus einer Hand finanziert werden. Dann, so Mayer, würde sich das „Spielchen“aufhören, dass die Patienten zum Zweck der Kostenverl­agerung hin und her geschickt würden – von der für den niedergela­ssenen Bereich zuständige­n Sozialvers­icherung zu den für die Spitäler zuständige­n Ländern und umgekehrt. Bei einer Finanzieru­ng aus einem Topf würden die Patienten die Leistungen dort bekommen, wo sie besser erbracht werden könnten.

Aus einer von der Ärztekamme­r bei IMAS in Auftrag gegebenen Umfrage liest Mayer, dass die Patienten nichts dagegen hätten, durchs Gesundheit­ssystem geführt zu werden. Von den mehr als 1000 Interviewt­en wünschten sich 87 Prozent als ersten Ansprechpa­rtner einen praktische­n Arzt in ihrer Wohngegend. Die zweitmeist­en Nennungen bekam die Apotheke ums Eck (75%), gefolgt von Fachärzten (62%). Ein Spital in der Nähe wünschten sich 58 Prozent. Zugleich gaben 70 Prozent an, im Fall einer chronische­n Krankheit stets vom selben Arzt betreut werden zu wollen, was wieder für die Stärkung des Hausarztes spricht.

„Wer sich an die Spielregel­n hält, sollte belohnt werden.“Harald Mayer, Ärztekamme­r-Vize

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