Flüchtlinge sollen „in Sicherheit zurückkehren können“
Das Militär könnte in Zukunft noch mehr im Ausland zum Einsatz kommen, nämlich zum Schutz der EU-Außengrenzen. Zum Problem könnte für das Bundesheer dabei werden, dass immer weniger Österreicher wehrtauglich sind.
Seit Mittwoch sind die EU-Verteidigungsminister in Wien bei einem informellen Treffen. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) will dabei für das österreichische Modell zum EU-Außengrenzschutz werben. SN: Worum geht es beim Treffen der EU-Verteidigungsminister? Kunasek: Einerseits wollen wir unsere Präsenz am Westbalkan beibehalten. Das ist für unsere Sicherheit eine zentrale Frage. Außerdem präsentieren wir unsere Vorschläge zum EU-Außengrenzschutz. Unser Modell, wonach das Militär im Zuge eines Assistenzeinsatzes die Exekutive beim Grenzschutz unterstützt, soll hier Vorbild für den EU-Außengrenzschutz sein. SN: Wie kann das Bundesheer beim Außengrenzschutz helfen? Wir sind stark im Bereich der Aufklärung. Im Bereich Logistik hat das Militär ebenfalls gute Kapazitäten. Man hat auch in Afrika bereits gesehen, dass wir Camps bewachen können. Das Bundesheer könnte auch Aufgaben der Exekutive übernehmen, das kommt auf das Mandat an. Federführend wird jedenfalls immer die Exekutive sein. SN: Die Kooperation zwischen Militär und Polizei sorgt auch für Kritik, Sie treiben das voran. Verstehen Sie die Kritik daran? Ich sehe das unaufgeregt und praktisch. Polizei und Militär haben natürlich unterschiedliche Aufgabenbereiche. Das Bundesheer ist keine Hilfspolizei, aber es ist ein wichtiger Player in der Sicherheitspolitik, somit sollten wir auch die Kooperation mit der Exekutive, die seit Jahren eine gute ist, fördern. SN: Aus Nordafrika erreichen uns teils dramatische Bilder, von Migranten, die Zäune zu den spanischen Enklaven überklettern. Sollen die Soldaten auch schießen dürfen? Menschenleben dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Es ist gesetzlich ganz klar geregelt, wie weit man gehen darf. Da gibt es die Notwehr und die Nothilfe, aber auch die Verhältnismäßigkeit. Man sendet durch die Präsenz an der Grenze schon ein selbstbewusstes Signal. SN: Das Bundesheer hat durch seinen Nachrichtendienst gute Informationen über die geopolitische Lage. Sehen Sie eine neue Flüchtlingswelle? In der Dimension wie im Jahr 2015 nicht. Aber wir wissen, dass es weiterhin illegale Migration gibt. In Afrika warten viele Menschen, dass sie nach Europa kommen können. SN: Zwischen Italien und anderen Staaten gibt es Streit, ob die Rettung von Migranten im Mittelmeer weitergehen soll. Wie sehen Sie das? Prinzipiell ist das Sache der Innenminister und der Staats- und Regierungschefs. Das Militär kann immer nur unterstützen, die Entscheidungen werden woanders getroffen. Eine Lösung sollte jedenfalls besser heute als morgen gefunden werden. Man vergisst in der Diskussion aber, dass man verhindern müsste, dass die Menschen die Reise antreten. Das betrifft auch die Bekämpfung der Fluchtursachen. SN: Könnte das Bundesheer beim Wiederaufbau in Syrien oder im Irak eingesetzt werden? Das muss man sich genau ansehen, aber die Staatengemeinschaft muss Interesse daran haben, dass Flüchtlinge in Sicherheit zurückkehren können. Also muss man in den Herkunftsländern Verhältnisse schaffen, die menschenwürdig sind. Aber auch hier kann das Militär die Außenpolitik nur unterstützen. SN: Was halten Sie von der Idee einer EU-Armee? Das ist keine Option. Wir müssen aber vermehrt auf militärische Kooperation setzen. Die EU muss auch bei der Verteidigungspolitik eigenständiger werden. Das war lang kein Thema, weil viele EU-Länder auch NATO-Mitglieder sind. SN: Könnte das Heer einen Einsatz an der Außengrenze trotz des Ressourcenmangels stemmen? Sollten wir auch unsere Kapazitäten im Inland und in unseren bisherigen Auslandseinsätzen beibehalten, sind wir an unserer Grenze angelangt. Da geht es gar nicht nur um Geldmittel, sondern auch um die personellen Möglichkeiten. Wir haben in Österreich die Freiwilligkeit für solche Einsätze und wir haben eine Miliz, die durchaus stärker besetzt sein könnte. SN: Stichwort personelle Möglichkeiten. Immer mehr Österreicher im wehrdienstpflichtigen Alter sind untauglich, was kann man dagegen tun? Das stimmt, wir haben auch ein demografisches Problem. Andere Länder haben das ebenfalls. Wir sollten darüber nachdenken, welche Tauglichkeitsstufen für welche Aufgaben notwendig sind. Denn die Zahl der Wehrpflichtigen ist in den nächsten Jahren rückläufig. SN: Könnte man die Wehrpflicht verlängern, um die Tauglichen länger zu halten? Mit den sechs Monaten Grundwehrdienst haben wir aus Sicht des Militärs nicht unbedingt eine optimale Lösung. Man kann also darüber nachdenken, ob man wieder sechs Monate Grundwehrdienst plus zwei Monate an Übungen einführt. Das wäre notwendig, wenn man ein Milizheer, wie es in Österreich ja vorgesehen ist, stärken will. Aber das kann nicht den Mangel an Wehrpflichtigen beheben. SN: Könnte die Wehrpflicht für Frauen diesem Mangel entgegenwirken? Im Moment sehe ich die Notwendigkeit nicht. Was nicht heißt, dass wir keine Frauen im Militär wollen. Im Gegenteil. Ich war 1989 einer der ersten Ausbildner von Frauen und die Debatte um Frauen beim Bundesheer hat sich positiv entwickelt. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Frauen gehören zum täglichen Bild der Armee. SN: In zwei Wochen startet der dritte U-Ausschuss zum Eurofighterkauf. Erwarten Sie sich neue Erkenntnisse? Da will ich als Minister den Mandataren nichts vorwegnehmen. Der UAusschuss ist Sache des Parlaments – aus meiner Sicht ist hier schon sehr viel abgearbeitet worden. SN: Das Bundesheer braucht neue Hubschrauber, in der engeren Auswahl ist auch ein Modell von Airbus. Mit der Firma hat das Militär beim Eurofighter schlechte Erfahrungen gemacht. Sollte man hier nicht Abstand nehmen? Man muss trennen zwischen den Hubschraubern und den Eurofightern. Wenn es zu einer Ausschreibung kommen würde, müssten wir alle Anbieter aus rechtlicher Sicht einladen, ein Angebot abzugeben. Einen Entschluss, wie das Verfahren aussieht, gibt es aber noch nicht. Das Ziel ist aber klar: Die neuen Hubschrauber müssen bis 2023 gekauft und einsatzbereit sein. SN: Die FPÖ ist als Sicherheitspartei angetreten und leitet die Sicherheitsressorts. Wie sehr gefährdet die BVTAffäre die Sicherheit des Landes? Was die Causa BVT betrifft, wird es eine parlamentarische Aufklärung geben und für die Sicherheitslage hat das im Moment keine Auswirkungen. Wir sind in der Lage, Österreich zu schützen, aber eines fordere ich schon auch ein: Es muss Rechtssicherheit herrschen und wenn sich die Justizbehörden nicht einig sind, ob eine Hausdurchsuchung gerechtfertigt ist oder nicht, sollte man hier nachbessern. Das Militär arbeitet auch mit ausländischen Nachrichtendiensten jedenfalls weiter gut zusammen. SN: Genau diese Kooperation zwischen dem Heeresnachrichtendienst und dem USGeheimdienst NSA wurde von Ihnen, als Sie noch nicht Minister waren, kritisiert. Nun wurde bekannt, dass hier eine enge Zusammenarbeit besteht, wird diese nun eingestellt? Die Dienste des Bundesheers kooperieren natürlich mit befreundeten Diensten im Ausland. Sonst wären wir isoliert, was problematisch wäre. Ich kenne meine Aussagen, aber die Sicherheitslage hat sich verändert. Wo es für Österreichs Sicherheit wichtig ist, kooperieren wir punktuell und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. SN: Sie wollen für die steirische Landtagswahl im Jahr 2020 kandidieren. Dort gibt es bereits Streitigkeiten zwischen den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ. Rechnen Sie mit vorgezogenen Wahlen? Ich kann die Stimmung in der steirischen Landesregierung nicht bewerten. Aber fest steht: Die jetzige Situation in der Steiermark ist nicht zufriedenstellend. Wenn es so weitergeht, wären frühere Wahlen vernünftiger, um klare Verhältnisse zu schaffen. Mein Ziel ist es, dass wir dann Regierungsverantwortung übernehmen. Dann würde ich in die Steiermark zurückkehren.
„Wir sollten über Tauglichkeitsstufen nachdenken.“ „Wir kooperieren natürlich mit befreundeten Diensten.“