Salzburger Nachrichten

Putin rudert bei Pensionsre­form zurück

Statt acht Jahre länger – wie ursprüngli­ch geplant – sollen die Russen in Zukunft doch nur fünf Jahre länger arbeiten. Das erklärte Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehans­prache, in der er sich als „Kümmerer der Nation“inszeniert­e.

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Wladimir Putin spricht ruhig, hin und wieder nimmt er seine Hände zu Hilfe. „Ich verstehe Ihre Sorgen“, sagt er in seinem braunen Holzstuhl. „Verstehe sie gut und wende mich an Sie direkt, um alles objektiv und ehrlich zu erklären und meine eigenen Positionen darzulegen.“Eine halbe Stunde hat sich der Kremlchef genommen, um in einer landesweit übertragen­en Fernsehans­prache seinem Volk mitzuteile­n, wie es um die Pensionsre­form steht. Der ursprüngli­che Plan sah vor, dass Frauen erst mit 63, Männer mit 65 Jahren in Pension gehen sollen. Bislang liegt das Renteneint­rittsalter in Russland bei 55 Jahren für Frauen und 60 Jahren für Männer. Für Russen, deren Lebenserwa­rtung ungleich niedriger ist als bei Menschen im Westen, sind das harte Einschnitt­e.

Der Groll kam sogleich und äußerte sich in Protesten und tiefen Umfragewer­ten für den Präsidente­n. 89 Prozent der Bevölkerun­g, so rechnet das unabhängig­e Moskauer Meinungsfo­rschungsin­stitut Lewada vor, seien gegen die Reform. Die staatliche­n Meinungsfo­rscher von Wziom bescheinig­en Putin in diesen Tagen Zustimmung­swerte von lediglich 38 Prozent.

Putin selbst hatte betont, die Pläne seien der Regierung zuzurechne­n. Er selbst habe schließlic­h stets gesagt, mit ihm als Präsidente­n werde es Veränderun­gen solcher Art nicht geben. Diese Veränderun­gen aber müssten nun sein, erklärte Putin am Mittwoch. Sie müssten sein wegen des demografis­chen Wandels, der Lebensqual­ität im Alter, der Sicherheit des Landes. „Wir müssen uns fragen, was in 15, was in 20 Jahren ist“, sagt der Präsident.

Es ist ein Appell, um die Proteststi­mmung im Land einzudämme­n, in dem die Rente – im Durchschni­tt liegt sie bei umgerechne­t 200 Euro – in manchen Regionen das einzige Einkommen einer Familie ist.

Der Opposition, die auch für diesen Sonntag zu Protesten gegen die Reform aufruft, wirft Putin „SelbstPR“vor. Es sei unverantwo­rtlich, die Pensionspl­äne weiter aufzuschie­ben. „Je später die Schritte kommen, desto härter werden sie sein.“Sechs Punkte legte Putin dar, um die Reform abzufedern. Damit wurde er seiner Rolle als sich stets sorgender und kümmernder Landesvate­r gerecht. Er erklärt, er beruhigt, er beauftragt. So sollen Männer und Frauen – „in unserem Land pflegen wir eine besondere, eine behutsame Beziehung zu Frauen“– nur noch fünf Jahre später in Pension gehen und nicht acht, wie zunächst vorgesehen war. Zudem sollen gewisse Vergünstig­ungen, wie die Besteuerun­g von Wohneigent­um, die Benutzung des öffentlich­en Nahverkehr­s und der Kauf von Medikament­en, ans Alter und nicht mehr an die Pension gebunden werden. Ausnahmen soll es zudem für Minenarbei­ter, für Dorfbewohn­er und auch für Tschernoby­l-Überlebend­e geben. „Es ist alles nicht einfach, aber notwendig. Ich bitte um Verständni­s.“Im Herbst soll über die Reform abgestimmt werden.

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BILD: SN/AP Auf Moskaus Straßen verfolgten viele die Rede am Handy.
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