Weltverbesserer oder Weltbeherrscher?
Vor 20 Jahren wurde das Unternehmen Google gegründet. An das Credo der ersten Jahre, „Don’t be evil“– Tu nichts Böses, glaubt heute kaum noch jemand. Wie aus der Idee, Informationen zu organisieren, ein umstrittener Weltkonzern wurde.
Kaum zu glauben, Suchmaschinen gab es auch schon vor Google. Doch es war eine Idee der Gründer Larry Page und Sergey Brin, der Google zur unangefochtenen Nummer eins mit einem Marktanteil jenseits der 90 Prozent machte: Die Relevanz von Webseiten zeigt sich darin, wie oft auf sie verlinkt wird.
Mit einem Scheck über 100.000 Dollar (85.962 Euro) von Sun-Mitgründer Andreas von Bechtolsheim wurde Google am 4. September 1998 als Unternehmen registriert. Die Mission: Alle Informationen der Welt zu ordnen und für alle zugänglich zu machen. Das Credo der ersten Stunde: „Don't be evil“– Tu nichts Böses. Als erstes Büro suchten sich Page und Brin eine Garage im Herzen des Silicon Valley. Ihre Vermieterin, Susan Wojcicki, führt heute die Videotochter YouTube.
Larry Page war der erste Firmenchef, doch den Investoren war nicht wohl dabei, das schnell wachsende Geschäft den beiden noch nicht einmal 30-jährigen Gründern zu überlassen. So wurde 2001 der erfahrene Manager Eric Schmidt als „Erwachsenenaufsicht“zu Google geholt. Für zehn Jahre, bis ein gereifter Page wieder das Steuer übernahm. Schmidt war zwar der Konzernchef – aber die Gründer hatten auch Freiheiten. Zum Beispiel das Start-up hinter dem heute dominierenden Smartphone-System Android zu kaufen.
Genauso clever wie der Suchmaschinen-Algorithmus war auch die Google-Idee, wie man damit Geld verdienen kann: Mit kleinen Anzeigen im Umfeld der Treffer – die dazu passen, wonach der Nutzer sucht. Bezahlt werden muss nur, wenn die Werbung angeklickt wird. Der Preis wird im Auktionsverfahren festgelegt. Mit solchen MiniDeals kann man mit der Größe von Google Milliarden scheffeln. 28 (23,9 Milliarden Euro) waren es allein im vergangenen Quartal.
Schon in den ersten Jahren wurde klar, dass sich die Ambitionen von Google nicht nur auf die InternetSuche beschränken. Getreu dem Ziel, alle Informationen der Welt zu organisieren, fing der Konzern damit an, in großem Stil Bücher einzuscannen. Bei dem Buch-Projekt holten sich die Google-Gründer mit ihren Weltverbessererambitionen zum ersten Mal eine blutige Nase. Autoren und Verleger sahen Urheberrechte verletzt und ihr Geschäft bedroht und zogen vor Gericht. Google Books kam nur zäh voran.
Weitere Konflikte folgten. Verlage warfen Google vor, mit der kostenlosen Verbreitung von Schlagzeilen und News ihre Geschäftsgrundlage zu zerstören. Bewertungsdienste kritisierten, die Suchmaschine sauge ihre Inhalte ab – wodurch die Nutzer bei Google hängen blieben. Preissuchmaschinen sahen sich benachteiligt.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager griff zwei Mal hart durch. 2017 wegen des Vorwurfs des unfairen Wettbewerbs bei der Shopping-Suche mit einer Strafe von 2,4 Mrd. Euro. In diesem Juli folgte die Rekordstrafe von 4,34 Mrd. Euro für Googles Gebaren bei Android. Die Beträge verdaute Google mit Leichtigkeit, die Forderung, auf der Mobilplattform mehr Konkurrenz zuzulassen, könnte aber zur Bombe unter dem bisherigen Android-Geschäft werden.
Immer wieder kommen Datenschutz-Ängste auf: Weiß Google inzwischen zu viel über seine Nutzer und damit praktisch jeden? Erst vor wenigen Wochen musste sich der Konzern dafür rechtfertigen, dass Android-Telefone Ortungsdaten speichern. Aber Google giert nach noch mehr Informationen: Der sprechende Google-Assistent ist erst dann nützlich, wenn er auf möglichst viele Daten zugreifen kann. Nicht zuletzt zeigte Google im Frühjahr, wie weit man bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz ist. Duplex kann selbstständig zum Beispiel einen Friseurtermin für seinen Nutzer vereinbaren und dabei die menschliche Sprache bis hin zu natürlich klingenden „Ähms“imitieren.
Die Gründer von Google standen zehn Jahre unter „Erwachsenenaufsicht“.