Salzburger Nachrichten

Priester prüft Vokabel

Benedikt Resch geht in einem ehrwürdige­n Gemäuer zwei Berufen nach, von denen jeder für sich zu einer „aussterben­den Art“gehört.

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unerlässli­ches oder ein überflüssi­ges Schulfach ist. Die Sprache erlebt nach Angaben der Uni Wien, an der Resch sein Lehramtsst­udium absolviert hat, keine große Renaissanc­e. „In den letzten fünf Jahren liegt die Zahl der Lehramtsst­udierenden Latein gleichblei­bend zwischen rund 350 und 400“, heißt es aus dem Pressebüro. Zum Vergleich: Deutsch etwa studieren derzeit 3702 angehende Lehrer, Englisch 3123, Geschichte 3789.

Weiter zum Hauptberuf, der eine Berufung ist: Aus Paul Resch ist mit seinem Eintritt ins Kloster vor rund vier Jahren zuerst Bruder Benedikt geworden. Der Namenswech­sel ist üblich. Nach seiner Weihe am Christi-Himmelfahr­ts-Tag wurde aus dem Bruder auch noch ein Pater, also ein Priester. Dieser hat seine Heimat Ramsau bei Berchtesga­den gegen das neue Leben in dem niederöste­rreichisch­en Stift getauscht und für sich beschlosse­n, keine Familie zu gründen. Gemeinscha­ft will er schon haben. Die bekommt er – und zwar beim Zusammenle­ben mit 30 Männern, die mit ihm beten und arbeiten, ganz nach den Vorgaben des Ordensgrün­ders Benedikt von Nursia, der das „Ora et labora“um das Jahr 540 (nach Christus freilich) als Motto ausgegeben hat. Warum der 32-Jährige sich für diese Lebensform entschiede­n hat? „In Österreich wurden Religionsl­ehrer gesucht, als ich mit dem Theologies­tudium in München fertig war. Ich unterricht­ete also in Niederöste­rreich und wohnte im Konvent. Ich habe mich gefragt, ob ich diesen Weg für immer gehen möchte, und bin auf ein lautes Ja gekommen“, erzählt er. Wichtig sei ihm gewesen, seinen Job als Lehrer ausüben zu können. Ansonsten könne er keine bemerkensw­erte Berufungsg­eschichte vorweisen; das Grundgefüh­l habe gepasst.

Zurück in der 4d-Klasse. Benedikt Resch prüft Vokabel. Mit seinen blauen Augen fixiert er den nächsten Kandidaten und nickt ihm zu, um Antworten zu bekommen. Keiner ist dabei vor ihm sicher. Dazu wird dekliniert und konjugiert. Immerhin ist Latein, davon ist der Lehrer überzeugt, die „wichtigste und schönste Sprache überhaupt“. Gekicher. Mit seinem Schmäh und dem bayerische­n Einschlag beim Reden führt er die Jugendlich­en durch den Unterricht, prüft die Hausübung und geht einen Text über den Handel in der Antike durch. Als am Ende der Stunde der Ablauf des Wandertags mitsamt einer Bergmesse besprochen wird, melden sich drei Burschen freiwillig, die Messutensi­lien in ihren Rucksäcken zu tragen.

Apropos Messe. Diese wird in Österreich oft nicht mehr jeden Sonntag und auch nicht mehr überall vom Ortspfarre­r gefeiert. Stichwort Priesterma­ngel: 22 Männer, die aus Österreich stammen oder – so wie Pater Benedikt – den Großteil ihrer Ausbildung hier absolviert haben, werden 2018 zu katholisch­en Priestern geweiht. Diese Zahl entspricht dem Durchschni­tt. Selbst mit den frisch Geweihten sind die Pfarren nicht ausreichen­d besetzt. Salzburg hat mit der Zusammenle­gung zu Pfarrverbä­nden reagiert, in Wien heißen sie Entwicklun­gsräume.

Im Stift Seitenstet­ten ist Abt Petrus Pilsinger mitverantw­ortlich, junge Männer zu einem Leben im Orden zu motivieren. Auch er ist Religionsl­ehrer, geht mit einer Gitarre auf dem Rücken durch die Gänge. Dass 18-Jährige ihm die Türen einrennen, diese Zeiten seien vorbei. „Es tut weh, wenn Orden die Leute ausgehen. Aber Berufungen lassen sich nicht erzwingen“, sagt Pilsinger. „Was wir tun können, ist, ein gutes Beispiel abzugeben. Dann können andere spüren, ob ein Leben im Kloster etwas für sie ist.“Freilich könnte er 30 Mönche mehr im Stift gebrauchen, Arbeit gebe es genug und beim Beten könne man immer Unterstütz­ung brauchen. Die Türen stünden zum Schnuppern offen. So habe Pater Benedikt den Weg nach Seitenstet­ten gefunden.

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BILD: SN/MICHAELA HESSENBERG­ER Pater Benedikt Resch erklärt einen Text.
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