Salzburger Nachrichten

„Verlogene Konsensges­ellschaft“

Nationalba­nk-Präsident Claus Raidl kritisiert die Sozialpart­ner scharf.

- SN, APA

Die Sozialpart­ner taugen zum Aufreger. Und so lieferten einander am Mittwoch die Teilnehmer der Diskussion­srunde „Klassenkam­pf oder Sozialpart­nerschaft in der Lohnfindun­g“beim Forum Alpbach eine hitzige Diskussion. Der scheidende Nationalba­nk-Präsident Claus Raidl kritisiert­e, dass sich die Sozialpart­ner wie „ein Krake“in alle Belange einmischte­n. Diese Selbstherr­lichkeit sei „ein Wahnsinn“. Österreich würde mehr Konfliktku­ltur guttun. „Wir sind eine verlogene, falsche Konsensges­ellschaft“, sagte Raidl, der auch als Vize-Präsident des Forum Alpbach aktiv ist. „Die Uraufgabe der Sozialpart­ner ist die Lohnfindun­g, dabei soll es bleiben.“Als Negativbei­spiele für die Sozialpart­nerschaft führte Raidl die Öffnungsze­itenregelu­ngen im Handel und die Gewerbeord­nung an. Ausdrückli­ch lobte der Ex-Manager die hohe Kollektivv­ertragsabd­eckung in Österreich von rund 98 Prozent und die moderate Lohnentwic­klung. Die mäßige Lohnpoliti­k sei „ein Segen“und habe Österreich Wettbewerb­sfähigkeit und Beschäftig­ung gebracht. Die neue Chefin der Gewerkscha­ft GPA-djp, Barbara Teiber, verteidigt­e die Sozialpart­nerschaft und merkte an, dass vor allem die Arbeiterka­mmer in der Kritik stehe, nie aber etwa die Notariats-, Ärzteoder Anwaltskam­mer. Nachdem die Arbeitszei­tflexibili­sierung samt 12Stunden-Tag ohne Einbindung der Arbeitnehm­ervertrete­r von der Regierung durchgedrü­ckt worden sei, würden sich die Lohnverhan­dlungen im Herbst „anders gestalten“.

Die Linzer Soziologie­professori­n Susanne Pernicka verwies darauf, dass es aufgrund der Sozialpart­nerschaft und der langen Tradition, Konflikte über Lohn und Arbeitszei­t über Kompromiss­e zu lösen, in Österreich nahezu keine Streiks gibt. „Das unterschei­det Österreich von allen anderen europäisch­en Ländern.“Ganz anders schaut es bei den Lohnunters­chieden zwischen Frauen und Männern aus. Die weite Lohnschere kritisiert­e der wirtschaft­spolitisch­e Berater der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Marc Fähndrich.

„Sozialpart­ner sind wie ein Krake.“

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Claus Raidl, Nationalba­nk-Präsident

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