Volksanwalt will Recht auf Sex in Heimen
Ob jung, alt oder behindert: Wer in einer Einrichtung lebt, soll ein erfülltes Sexualleben haben können.
WIEN. Wer künftig eine Bewilligung für den Bau einer Einrichtung erhalten will, in der Kinder und Jugendliche untergebracht sind, soll ein sexualpädagogisches Konzept vorlegen. Das forderte Volksanwalt Günther Kräuter am Mittwoch. Ziel: Übergriffen und Grenzverletzungen vorzubeugen und jungen Menschen einen guten Weg zur eigenen Sexualität zu zeigen. Auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder für Senioren sollen bald einen solchen Leitfaden vorweisen. Die Finanzierung sei Ländersache, sagte Kräuter.
Wie das in der Praxis aussehen kann, erklärte Sexualpädagogin Michaela Urabl, Obfrau des Vereins „liebenslust“mit Sitz in Graz: „Für junge Menschen braucht es Aufklärung, Beratung bei Verhütung und Förderung von Beziehungen. Sie müssen – wie die Gesellschaft insgesamt – lernen, Körperteile zu benennen und über Sex zu sprechen.“Nur wer Worte habe, könne über Liebe, Verlangen und Sorgen reden.
Dass der Penis Penis heißt und nicht etwa „Pipi“oder „Spatzi“, bringt Urabl Menschen mit Behinderung in Workshops bei. Körperteile „erwachsen“zu bezeichnen sei eine wichtige Aufwertung des eigenen Selbst, sagt sie. „Die wenigsten erfahren Aufklärung von den Eltern.“Volksanwalt Kräuter formulierte es drastischer: „Viele stellen sich vor, dass Behinderte oder Ältere geschlechtsneutrale Wesen sind. Manchmal verlangen Verwandte die Unterbindung jeglicher sexuellen Aktivität.“
Genau diese will Urabl aber ermöglichen. In Pflegeheimen könnte
„Wir müssen lernen, über Sex zu reden.“ Michaela Urabl, Sexualpädagogin
es versperrbare Zimmer geben, damit Senioren ihre Lust ausleben können – ob durch Selbstbefriedigung oder Sex mit anderen. Egal ob diese im Heim leben oder nicht.
Um Beziehung zu ermöglichen, könne ein von der Volksanwaltschaft gefordertes Konzept auch die Begleitung zu ersten Treffen nach Online-Flirts beinhalten, für Ältere ebenso wie für Behinderte.
Als „sinnvolle Sache, der wir positiv gegenüberstehen“, bezeichnet Albert Brandstätter, Geschäftsführer der Lebenshilfe Österreich, die Forderung des Volksanwalts gegenüber den SN. Zwar gebe es in den Landesorganisationen schon einige sexualpädagogische Konzepte, eine bundesweite Richtlinie fehle aber.