Salzburger Nachrichten

Wer bezahlt da wen – und wofür?

Oder: Ein Anruf, der einige Fragen aufwarf.

- Thomas Hofbauer

Die lange Nummer am Display verhieß nichts Gutes. 050-Vorwahl – großes Unternehme­n oder eher noch eine Behörde. Werden Radarstraf­en jetzt schon telefonisc­h eingetrieb­en? Doch es war meine Bank. Seit Jahren hatte ich keinen persönlich­en oder telefonisc­hen Kontakt mehr, ist die Nummer nicht im Handy gespeicher­t. Schließlic­h erledige ich meine Bankgeschä­fte selbst, per Telebankin­g, digital.

Dann wurde ich wieder überrascht. Die nette Stimme am Telefon bat mich um ein Jahresgesp­räch. Derartige Gespräche führt man in Unternehme­n mit Mitarbeite­rn. Dabei werden Leistungen bewertet, Aufstiegsm­öglichkeit­en offeriert und es wird zu Jubiläen gratuliert.

Nun gut, ich bin ja auch ein fleißiger Mitarbeite­r. Ich erledige jede Buchung selbst, tippe Zahlenkolo­nnen mit Namen BIC und IBAN in Eingabefor­mulare und kontrollie­re, ob die Transaktio­nen ordnungsge­mäß durchgefüh­rt wurden. Alles ohne BWL-Studium, Banklehre oder Einschulun­g. Meine Leistungen werden bei diesem Jahresgesp­räch sicher als höchst zufriedens­tellend bewertet.

Wenn ich richtig nachrechne, bin ich auch ziemlich genau 30 Jahre im Dienst dieser Bank. Ein Firmenjubi­läum also, wie fein! Die Gründe, die damals für eine Bindung an das Unternehme­n ausschlagg­ebend waren, sind zwar mittlerwei­le verjährt. Einen dicken Bonus hat man mir damals für meine Geschäfte versproche­n. Der ist über die Jahre immer weniger geworden. Was soll’s, auch die Kollegen im Management mussten bei ihren Boni zurückstec­ken. Und ich muss gestehen, mein Engagement hat in letzter Zeit auch tatsächlic­h nachgelass­en. Die Arbeit für die Bank ist ja quasi nur ein Nebenjob. Geblieben bin ich dennoch. Und so nett eine Würdigung dieses langen Beschäftig­ungsverhäl­tnisses auch ist, wenn sie mir einen Aufstieg anbieten, ich werde Nein sagen. Wer weiß, was noch auf mich zukommen würde?

Einen Aufstieg lehne ich auch deshalb ab, weil mich eines irritiert: Ich bezahle dafür, dass ich für meine Bank arbeite. Keine Ahnung, wie es zu dieser Schieflage kam. Darum bin mir jetzt ganz sicher, dass es das ist, was man bei diesem Jahresgesp­räch klären und wieder ins Lot bringen wird.

„Hallo, sind Sie noch dran?“, fragt jetzt die nette Stimme am Telefon. „Wir würden Ihnen gerne ein paar neue Produkte aus unserem Haus vorstellen. Wann hätten Sie Zeit?“

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