Beweisfotos aus Wildkamera: Erstes Wolfsrudel lebt in Oberösterreich
Die erste Sichtung eines Wolfsrudels in Oberösterreich besorgt Familien. Kinder gehen nicht mehr allein zum Schulbus. Warum die Wölfe und ihre Welpen nicht willkommen sind.
Gerissene Schafe waren die ersten Spuren, nun schoss eine Wildkamera Beweisfotos: Ein Wolfspaar lebt mit seinen vier bis fünf Welpen an der Grenze zwischen Oberösterreich, Niederösterreich und Tschechien. Was Umweltschützer freut, versetzt Eltern in Angst. In der 1600-Seelen-Gemeinde Liebenau etwa lassen sie ihre Kinder nicht mehr allein zum Schulbus gehen. Als „bedenklich“stuft ein Experte die Sichtung ein. Denn: Einzelne Tiere streifen vor dem Ort herum und kommen dabei nahe an Bauernhöfe heran.
Oft gab es Gerüchte, nun ist es offiziell: Im oberen Mühlviertel hat sich eine Wolfsfamilie angesiedelt. Ihr Revier zieht sich bis ins Niederösterreichische und auch nach Tschechien. Fotos aus einer Wildkamera zeigen erwachsene Tiere und zumindest vier Welpen. DNAAnalysen nach Schafrissen sowie Losungsfunde belegen zudem, dass es sich um andere Tiere handelt als um jene, die bekanntlich auf dem Truppenübungsplatz im niederösterreichischen Allentsteig zusammenleben. Das bestätigte Wolfsanwalt Georg Raue von der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
1600 Einwohner zählt der Markt Liebenau. Froh oder gar stolz, dass sich Wölfe dort angesiedelt hätten, sei niemand, heißt es aus der Gemeinde. Im Gegenteil: Familien sind höchst beunruhigt. Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr allein zum Schulbus gehen. „Einzelne Höfe liegen weit entfernt voneinander, manchmal trennen kleine Wäldchen sie. Der Schulbus kommt nicht zu jedem Hof. Da lässt man seine Kinder nicht im Morgengrauen eineinhalb Kilometer allein zur Sammelstelle des Busses gehen“, beschreibt Wolf-Dietrich Schlemper von der oö. Landwirtschaftskammer (LK) die Stimmung. Schlemper war gerade in der Region, um die Menschen über Herdenschutz und richtiges Verhalten zu informieren. Wie er die Lage einschätzt? „Ich persönlich finde sie bedenklich, weil einzelne Tiere – nicht das ganze Rudel – in den vergangenen Monaten immer wieder auf 50 bis 100 Meter an die Höfe herangekommen sind. Auch tagsüber. Das ist nicht normal.“Dass bei der Bevölkerung die Angst vor dem Ungewissen überwiege, verstehe er. Schauplatzwechsel ins niederösterreichische Bad Großpertholz. „Bei uns ist die Angst nicht so groß wie in den Nachbargemeinden. Mir hat ein Jogger beeindruckt von seiner Wolfssichtung berichtet“, erzählt Oberförster Arnold Schwarzinger vom Waldgut Pfleiderer. Er selbst habe mehrmals Wolfslosung gefunden. „Da zieht’s mir schon die Gänsehaut auf“, sagt er und macht sich Gedanken darum, wie es mit den Raubtieren im Winter weitergeht. Wenn sie die Gegend nicht verließen, werde es spannend: „Das Wild zieht sich zurück und wovon ernähren sie sich dann?“
Dass der Wolf weiterwandert, hofft man in der Gemeinde Liebenau. Dort wurde gerade der Bescheid der Landesregierung zugestellt, der Oberösterreichs Jägern erstmals das Vergrämen der Wölfe mittels Schreckschüssen und Gummimunition erlaubt. Wer einen Wolf sichtet, kann sich an den Bezirksjägermeister oder das Land wenden.
Wo der Wolf seinen Platz finden kann und wie man mit ihm umgeht, diese Fragen müssen nun von der Politik geklärt werden. Das fordert Christopher Böck, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes in Oberösterreich. Auch der WWF reagierte am Mittwoch auf die Meldung über das neue Rudel. Christian Pichler forderte ein seriöses Wolfsmanagement, Beratung für die Weidetierhalter, individuellen Herdenschutz und finanzielle Unterstützung.